Interview mit Dr. Heinz Kleinöder über EMS-Training im Leistungssport
Dr. Heinz Kleinöder führt an der Deutschen Sporthochschule in der trainingswissenschaftlichen Interventionsforschung zahlreiche Projekte und Studien zum Training mit Elektromyostimulation (kurz: EMS-Training) durch. Sein Wissen gibt er in unserer Weiterbildung EMS-Ganzkörpertraining an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer weiter. Im Gespräch mit der UW verrät er, an welchen Projekten er gerade arbeitet und was die TeilnehmerInnen der Weiterbildung erwartet.
UW: Herr Kleinöder, wir sprachen im Oktober bereits über EMS-Training im Freizeitsport. Was sagt der aktuelle Forschungsstand: Profitieren auch Leistungssportler von dem Training mit Elektromyostimulation?
Dr. Kleinöder: Wir sind ja hier in der trainingswissenschaftlichen Interventionsforschung, da machen wir natürlich in erster Linie Studien mit Profisportlern. Aktuell laufen zwei Projekte, eins mit der Leichtathletik und eins im Skilanglauf. Natürlich haben wir auch Projekte mit Sportstudenten, was vielleicht so die mittlere oder auch gehobene Fitnessebene abdeckt. Das zeigt, dass EMS an sich für ganz verschiedene Klientel geeignet ist. Aus einem einfachen Grund: Der Reiz intensiviert die Kontraktion. Beim Profisportler muss natürlich mehr auf den Belastungskontext geachtet werden, dass da nicht zu viel gemacht wird. Beim Breitensportler muss man aber auch sehen, dass man nicht zu intensiv arbeitet. Aber das kann bei einem Reiz pro Woche (Anmerkung d. Red.: bezogen auf EMS-Studios, die mit einem 20-minütigen Training pro Woche werben, s. hier) ehrlich gesagt, nicht geschehen.
Was genau untersuchen Sie in Ihren Forschungsprojekten?
Also wir haben ganz verschiedene Projekte. Wir machen mit EMS seit Jahren Projekte im Leistungssport, das beruht auf der Zusammenarbeit mit unserer Trainerakademie hier an der Sporthochschule. Wir haben ein Projekt in der Leichtathletik. Da geht es darum, durch zusätzliche Einleitung von EMS bestimmte Positionen in der Wurfbewegung zu stabilisieren. Wir wollen aber auch durch ein grundlegendes Training dahin, dass Muskelfasern, die man sonst schwierig erreichen kann, neu aufgeschlossen werden. Bei dem Langlauf-Projekt geht es natürlich darum, den Schub zu verbessern, d.h. auch da wieder neue Muskelfasern zu rekrutieren und in eine Ausdauerbelastung einzubauen. Das funktioniert natürlich nur, wenn wir die Expertise von den zuständigen Trainern zurückbekommen. Sie trainieren die Sportler und wissen genau, was der Input ist und können auf die Rückmeldung der Athleten reagieren. Das sind also offene Projekte, Interventionsprojekte, wo wir keinem festen Design folgen müssen. Weiterhin haben wir Zusammenarbeiten mit dem Hochleistungssport. Schorsch Hackl beispielsweise macht EMS, weil gerade im Rodelsport viele Rückenverletzungen entstehen. Diese kann man mit EMS charmant behandeln. Außerdem hilft EMS auch hier die kleinen Muskelgruppen, die bei der Pinguinbewegung am Start benötigt werden, zu rekrutieren. Als letztes vielleicht noch ganz wichtig für den Gesundheitssport: Wir machen eine schöne Kooperation mit der Uni Erlangen mit Prof. Kemmler, d.h. wir machen ein breitensportlich ausgerichtetes Projekt zur Nachhaltigkeit von verschiedenen Trainingsmethoden bei Rückenpatienten. Also mal ein ganz anderer Weg. Wir schauen uns also an, ob EMS ebenso wie Vibration und klassisches Training eine Alternative sein kann.
Wie kann das EMS-Training also im Gesundheitssport und in der Rehabilitation, wie bei den angesprochenen Rückenschmerzen, eingesetzt werden?
Der Gesundheitssport hat natürlich einerseits diese Aufschlüsselfunktion, dass man wieder ins Training reinkommt, und besonders wichtig ist, dass EMS an die Muskulatur herankommt, die im Tiefen liegt. Sie kann auf eine relativ einfache Art und Weise gereizt und zusätzlich durch Übungen stimuliert werden, was eigentlich eine glückliche Kombination ist. Darum machen wir auch das Projekt zur Rückengesundheit. Dazu gehört natürlich auch das Modell des Reizes, also dass Agonist und Antagonist bei vielen Anbietern gleichzeitig stimuliert werden. D.h. ich habe sozusagen eine beidseitige Ausbildung. Das finde ich bei anderen Trainingsreizen auch eher nicht, das ist relativ schwierig zu bewerkstelligen. Und der Ausübende spart jede Menge Zeit.
Gibt es trotzdem Menschen, die besser auf ein EMS-Training verzichten sollten?
Wie für ganz viele Trainingsmittel gibt es natürlich immer Kontraindikationen. Wir haben das in unserem EMS-Rat diskutiert. Das ist ein Gremium, das wir mit allen Leuten, die in Deutschland in Theorie oder Praxis etwas mit EMS zu tun haben, gegründet haben. Unser Ergebnis: Absolute Kontraindikationen gibt es eigentlich wenige. Natürlich versucht ein EMS-Studio nicht unbedingt alle Risikogruppen anzusprechen. Wenn jemand einen starken Immuninfekt hat oder eine Viruserkrankung, dann macht man kein intensives Training, das verbietet sich von vorn herein. Oder wenn man Hautreizungen hat, muss auch geprüft werden, ob EMS dann geht. Generell reicht aber eine Abstimmung mit dem Arzt häufig aus, um zu schauen, ob die Möglichkeit besteht oder nicht.
Außerdem sollte das Training ja auch mit qualifizierten TrainerInnen ausgeübt werden, die etwa durch Maßnahmen wie Ihre Weiterbildung EMS-Ganzkörpertraining ausgebildet wurden. Worauf können sich TeilnehmerInnen dieser Weiterbildung besonders freuen?
Also die Highlights der Weiterbildung: Natürlich ist es wichtig, dass man erstmal die Grundlagen legt, das können wir durch die wissenschaftlichen Studien, die wir gemacht haben, vielleicht etwas besser als andere. Damit verbunden ist natürlich, dass der Wirkmechanismus klarer gemacht wird. Aber dann geht es auch relativ schnell in die Praxis. D.h. wir werden vorstellen, wie mit EMS trainiert wird und werden dann die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu bringen, dass sie selber auch ein Training durchführen können. Das Ganze immer wieder in Verbindung mit der Theorie und gleichzeitig aber auch mit einer gezielten Schulung, wie man ein EMS-Training anwendet, wie man es sinnvoll macht, wie man die Rückmeldung des Kunden einholt, die extrem wichtig ist, sodass wir uns vorstellen nach der Ausbildung Leute zu haben, die ein Elektrostimulationstraining sinnvoll und vor allen Dingen kundengerecht durchführen können.
Möchten auch Sie lernen, wie ein EMS-Training optimal durchgeführt wird? Dann besuchen Sie unsere Weiterbildung EMS-Ganzkörpertraining am 26./27. Januar. Weitere Informationen finden Sie hier: EMS-Ganzkörpertraining.