Doping in der Universität!?

Doping in der Universität!? Eine rezeptfreie Betrachtung der Implementierung von Dopingprävention in die universitäre Sport-Lehramtsausbildung

Katharina Pöppel

DOI: 10.25847/zsls.2019.018

ZUSAMMENFASSUNG

Problemorientierten Lern-Settings wird ein besonderer Vorteil für Lernende zugesprochen. Somit sollte die Sportwissenschaft als Querschnittdisziplin ein besonderes Potenzial für die Bearbeitung thematisch breit angelegter Fragestellungen bieten. Die Behandlung des Themenbereichs Doping und Dopingprävention als Problemfeld in der Universität bietet über einen reinen Leistungssportfokus hinaus die Möglichkeit individuell relevante Schwerpunkte zu setzen, diese einer gesamtgesellschaftlichen Betrachtung zu unterziehen und er eignet sich ebenfalls für eine Betrachtung im Rahmen des Sportunterrichts sowie zur Förderung von Literacy. Zur Identifikation zugrundeliegender Haltungen hinsichtlich Dopings und dessen Prävention sowie der Gestaltung von Lern-Arrangements werden die Ergebnisse einer Online-Umfrage mit 82 Teilnehmenden (69.5 % Studierende, 17.1 % Lehrkräfte) dargestellt. Die Teilnehmenden sehen Doping in erster Linie als ein Problem des Spitzensports an und äußern insgesamt eine dopingkritische Haltung. In Hinblick auf eine Implementierung des Themenbereichs in Lehr-Lern-Settings wie den schulischen Kontext werden eine Anknüpfung an verschiedene Fächer auch außerhalb des Sportunterrichts (beispielsweise Biologie oder Ethik) sowie aktivierende Lern-Settings, zum Beispiel Diskussionsrunden oder kleine Forschungsprojekte, hervorgehoben. Es zeigt sich eine Differenzierung im Verständnis von Sport im Vergleich zu Sportunterricht, wobei insbesondere Lernen als Teil des Sportunterrichts angesehen wird. Die Teilnehmenden zeigen günstige Voraussetzungen für eine Implementierung von Doping(prävention) in Lern-Settings, die eine kritische und offene Auseinandersetzung über das Fach Sport hinaus fördern. Sofern eine Anerkennung erfolgt, dass der Bereich Doping auch außerhalb des Leistungssports ein Problem darstellt, bietet der Themenbereich vielfältige Profitmöglichkeiten für Lernende.

Doping in the university!? A look at the implementation of doping prevention in university sports teacher training

Abstract: Problem-oriented environments for learning are supposed to be particularly beneficial for students. The interdisciplinary field of sports science enables students to work on a wide range of topics. Implementing doping and doping prevention as a topic in sports science or physical education provides the opportunity to work on issues, which are perceived as individually relevant besides focusing solely on high-performance sports and which should have the potential to be beneficial for one’s literacy. Additionally, students have the opportunity to discuss the topic from a societal perspective. Eighty-two participants (69.5 % students, 17.1 % teachers) took part in an online survey, which focused on underlying attitudes towards doping (prevention) and the composition of learning processes. The participants regarded doping primarily as a problem of high-performance sports and conveyed a doping critical attitude. Regarding the implementation of doping (prevention) in teaching-learning processes like a school setting, they consider subjects like biology or ethics as a good option to focus on doping besides physical education. Furthermore, they favor activating learning environments like discussion rounds or smaller research projects. The participants differentiate in their perception between sports and physical education. Especially learning opportunities are considered to be a part of physical education. The participants show favorable preconditions for the implementation of doping (prevention) in a learning environment, which should enable frank and critical discussions beyond the borderline of sports. If the participants acknowledge doping to be a general problem, this topic provides a lot of opportunities to be beneficial for students.

1 EINLEITUNG

Das Thema Doping(prävention) lässt sich mit Blick auf die wissenschaftliche Ausbildung in der universitären sportwissenschaftlichen Lehre kontrovers diskutieren. Einerseits wachsen Kinder und Jugendliche in einer leistungsgeprägten Gesellschaft heran. Andererseits setzt man sich im Leistungssport mit der Frage auseinander, wie angemessen eine repressiv geprägte Bildung von Athletinnen und Athleten in Anbetracht wachsender Toleranz gegenüber technischen und pharmazeutischen Hilfsmitteln sowie der gesellschaftlichen Anerkennung von Leistung ist (Petróczi, Norman, & Brueckner, 2017). Insofern umfasst der Themenbereich Doping und Dopingprävention auch eine Betrachtung der Bedingungen von Lernen und kann als exemplarisches Thema für die inhaltliche Gestaltung von Lehrveranstaltungen herangezogen werden. Betrachtet man Lernprozesse (als charakterisierendes Merkmal einer jeden schulischen oder universitären Ausbildung) genauer, wird diesbezüglich unter anderem der Vorteil problemorientierten Lernens (Reusser, 2005) sowie die Bedeutsamkeit von Interesse und Motivation hervorgehoben (Hasselhorn & Gold, 2017). Die intraindividuell unterschiedliche Ausprägung von Interesse und Motivation lässt sich durch die Gestaltung einer Lehr-Lern-Situation positiv beeinflussen, insbesondere, wenn Lernende an einer für sie relevanten Aufgaben- oder Problemstellung arbeiten können (Luttenberger, Wimmer, & Paechter, 2019). Die Universität sollte daher ein idealer Ort für die Gestaltung produktiver Lern-Settings sein, da von Studierenden einer Fachrichtung per se ein erhöhtes Interesse und eine erhöhte Motivation für die Inhalte ihres gewählten Studienfachs zu erwarten sein sollte. Gerade die Sportwissenschaft als Querschnittsdisziplin sollte demnach die Gelegenheit bieten, Inhalte und Problemstellungen mit einem breiteren Blickwinkel und auch über die Grenzen des Fachs hinaus zu betrachten.

Der vorliegende Beitrag verfolgt zwei Zielsetzungen: 1) auf einer übergreifenden Ebene die Betrachtung des zugrundeliegenden gesellschaftlichen Sportverständnisses sowie die Identifikation gesellschaftlicher Haltungen zur Initiierung von Lern- und Bildungsprozessen in der Sportwissenschaft und im Sport; 2) auf einer inhaltsbezogenen Ebene die Identifikation einer Lernausgangslage, die universitären Bildungsprozessen im Dopingkontext zugrunde liegt. Hierzu zählen vorliegende Haltungen und die empfundene Relevanz des Themenbereichs Doping und Dopingprävention auch außerhalb des Spitzensports. Dies schließt eine Auseinandersetzung mit Ideen ein, wie dieser Bereich aus einer universitären Perspektive in den schulischen Kontext implementiert werden könnte.

2 LEHREN UND LERNEN IN DER SPORTWISSENSCHAFT

2.1 Sportverständnis

Das Studium der Sportwissenschaft ermöglicht vielfältige Schwerpunktsetzungen, denen das übergreifende Setting Sport gemein ist. Das Ziel der wissenschaftlichen Betrachtung von Sport „ist es, den Sport und das Sporttreiben der Menschen zu beschreiben, zu verstehen und zu erklären“ (Krüger & Emrich, 2013, S. 14). Neben wissenschaftlich orientierten Definitionen von Sportwissenschaft oder Sport(unterricht) stellt sich die Frage, was im allgemeinen Verständnis mit dem Begriff Sport verbunden wird. Dieses Verständnis bildet auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene die Wahrnehmung von Sport ab. Während im Bereich Geschichte der Begriff des Geschichtsbewusstseins existiert, definiert als „eine übertragbare Haltung und Qualifikation, ein erschließender Weltzugang“ und als „kein Vorrat kanonischer oder auch individual-spezifischer Kenntnisbestände“ (Meyer-Hamme & Borries, 2008, S. 110), gibt es für den Sport bisher kein Äquivalent. Nach Meyer-Hamme und von Borries (2008) setzt sich das Geschichtsbewusstsein aus drei zusammenhängenden Dimensionen zusammen, die einer immanenten Beeinflussung durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unterliegen und die in Abbildung 1 dargestellt sind.

In einem ersten Versuch sollen die benannten Dimensionen auf den Bereich Sport übertragen werden, wobei als Besonderheit sowohl eine passiv-rezipierende Perspektive als auch eine aktiv-sporttreibende Perspektive beachtet werden. Das zu beschreibende Konstrukt wird hierbei als Sportverständnis bezeichnet (auch um eine potentielle Konfundierung mit der kognitionspsychologischen oder medizinischen Verwendung des Bewusstseinsbegriffs zu vermeiden). In einer Arbeitsdefinition und orientiert an der Definition des Geschichtsbewusstseins wird unter Sportverständnis eine subjektive Wahrnehmung von Sport bestehend aus einem zeitunabhängigen Zusammenwirken folgender Facetten verstanden: a) der Sportkultur als eine gesellschaftlich geprägte, individuelle Wahrnehmung von Sport, ausgedrückt über die eigene Präsentation, Rezeption oder Kommunikation von bzw. über Sport, b) der eigenen Sportidentität, welche die eigene Selbstdefinition, sportliche Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Sportaffinität umfasst und c) die sportbezogene Handlungskompetenz, die das eigene sportbezogene Denk- und Handlungsvermögen umfasst. Innerhalb dieser Bereiche und geprägt durch das eigene Sportverständnis erfolgt demnach wissenschaftliches Denken in der Sportwissenschaft.

2.2 Problemorientiertes Lernen im (Lehramts-)Sportstudium

Fokussiert man auf Studierende und die Bereiche des wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens in der Sportwissenschaft, kristallisiert sich vor allem die Besonderheit des Lehramtsstudiengangs heraus, dessen Studierende einerseits an eine wissenschaftliche Auseinandersetzung herangeführt werden und andererseits zu Experten der Initiierung von Lern- und Bildungsprozessen im Fach Sport ausgebildet werden. Dies schließt auch die Bereiche Persönlichkeitsentwicklung oder Gesundheitsförderung von Schülerinnen und Schülern sowie gesellschaftliche Teilhabe ein (Kultusministerkonferenz & Deutscher Olympischer Sportbund, 2017). Ein universitäres sportwissenschaftliches Studium sollte einerseits an diese Bereiche anknüpfen und andererseits sollten diese Perspektiven auch im Rahmen eines Studiums angesprochen werden. Weiterhin impliziert dies eine reflexive Auseinandersetzung mit Inhalten der Sportwissenschaft (Krüger & Emrich, 2013) bzw. des Sportunterrichts in Ergänzung zu motorischen Bildungskomponenten und steht in Einklang mit der für den Schulkontext formulierten Zielsetzung, dass Sportunterricht einen übergreifenden Bildungsanspruch erfüllen soll (Schierz & Miethling, 2017). Diese Zielsetzung ist verbunden mit dem Erreichen einer sogenannten Health Literacy im Sinne von gesundheitsbezogener Bildung, definiert als: „Die Fähigkeit, auf Informationen zuzugreifen, diese zu verstehen, zu bewerten und zu kommunizieren als eine Möglichkeit Gesundheit in einer Vielzahl von Settings im Laufe des Lebens zu fördern, aufrechtzuerhalten und zu verbessern.“ (Rootman & Gordon-El-Bihbety, 2008, S. 11; übersetzt aus dem Englischen). Eine gesundheitsbezogene sportwissenschaftliche Perspektive kann hierbei ebenfalls als Bindeglied zwischen sportpädagogischen, sportmedizinischen, bewegungs- oder trainingswissenschaftlichen Bereichen verstanden werden (vgl. Krüger & Emrich, 2013).

In Anbetracht der thematischen Breite der Sportwissenschaft müssen sich Studierende im Verlauf ihres Studiums entsprechend ihrer Interessenlagen fokussieren. Damit sollten ein erhöhtes Interesse und eine erhöhte Lernmotivation verbunden sein (Luttenberger et al., 2019). Im (Hoch-)Schulkontext wird problemorientiertes Lernen als besonders wertvoll für die Ausbildung von Grundlagenwissen, fachlichen Fertigkeiten und soft skills erachtet (Reusser, 2005). Metaanalytische Ergebnisse stützen diese Annahme und zeigen einen robusten positiven Effekt problemorientierten Lernens auf die Ausbildung von Fertigkeiten. Betrachtet man das erworbene Wissen, zeigt sich, dass vergleichsweise weniger Wissen angeeignet wurde, dieses aber besser erinnert wird (Dochy, Segers, van den Bossche & Gijbels, 2003). Gestalten Lehrende Lernumgebungen, in denen Lernende an für sie relevanten Problemstellungen arbeiten können, fördert dies entsprechend des Konzepts die Eigenständigkeit der Lernenden, eine kognitive Aktivierung sowie die Aneignung transferfähigen Wissens auch innerhalb des Fachs Sport. Entsprechend Reussers (2005) Ausführungen sind Lehrende auf der anderen Seite gefordert, relevante und bearbeitbare Problemstellungen zu ermöglichen und zudem flexibel fundierte Hilfestellungen zu leisten. Lernen wird hierbei als individueller und subjektiver Konstruktionsprozess verstanden, der basierend auf authentischen und komplexen Problemen erfolgt und frühzeitig eine fächerübergreifende Denkweise fördert (Hasselhorn & Gold, 2017; Reusser, 2005). Somit bietet die Sportwissenschaft oder – bezugnehmend auf angehende Sportlehrkräfte – das Schulfach Sport zahlreiche Anknüpfungspunkte.

2.3 Praxisbeispiel aus der sportwissenschaftlichen Lehre

Offenere Seminarkonzepte wie die an der Universität Oldenburg für Lehramtsstudierende angebotene Veranstaltung Lehrgang und Labor fördern und ermöglichen ein übergreifendes wissenschaftliches Denken, indem Raum für alternative Denkweisen von Sportunterricht gegeben wird, die zunächst nur grob an curricularen Vorgaben oder Maßgaben der Kultusministerkonferenz orientiert sind (Schierz, 2019). Das Seminarkonzept ist hierbei geeignet, zentrale Charakteristika problemorientierten Lernens abzudecken: (1) Studierende tragen selbst die Verantwortung für ihren Lernprozess, (2) es werden reale Probleme bereitgestellt, die Studierenden eine Bearbeitung mit verschiedenen Zugangsweisen ermöglichen, (3) der Lernprozess ist in einen multidisziplinären Kontext eingebettet, (4) die Zusammenarbeit von Studierenden ist ein zentraler Bestandteil und (5) der Lernprozess erfolgt selbstgesteuert und ermöglicht eigene Lösungsfindungen (vgl. Savery, 2006). Angedockt an fachübergreifendes Unterrichtsmaterial des Bundesinstituts für Sportwissenschaft, der Bundeszentrale für politische Bildung, der Nationalen Anti-Doping Agentur Deutschlands und des Projekts Translating Doping (Alpermann et al., 2012) können Studierende den Themenbereich Doping und Dopingprävention frei und entsprechend eigener Interessenschwerpunktsetzungen auf eigene Perspektiven und seine Unterrichtstauglichkeit hin diskutieren sowie eine eigene begründete Haltung entwickeln. Das Material ermöglicht unter anderem die Kopplung an die Fächer Geschichte, Ethik oder Biologie und spricht somit auch (je nach Fächerkombination im Lehramtsstudiengang) Kompetenzen und Wissen des Zweitfachs intendiert an. Basierend auf grundsätzlichen Vorgaben (z. B. Prüfungsleistungen, eine über zwei Semester angelegte Lehrveranstaltung, etc.) erhalten die Studierenden die Gelegenheit, an als relevant empfundenen Problemstellungen zu arbeiten und diese mit der Perspektive der Gestaltung von schulischen Lernumgebungen zu bearbeiten.

Vergleichbar mit häufig bereits in den Schulalltag implementierten Themen wie dem Umgang mit Alkohol, Nikotin oder anderen Substanzen mit Sucht oder Gesundheitsgefährdungspotenzial stellt sich die Frage, wie man Prävention und Aufklärung zielführend und konstruktiv in den Schullalltag einbeziehen kann, sodass er für Schülerinnen und Schüler unter anderem in Anbetracht einer in der Regel noch wenig ausgeprägten Sorge um gesundheitserhaltende Belange relevant wird (Singler & Treutlein, 2006). Das Thema Doping wird hierbei explizit im Memorandum Schulsport 2019 genannt und in seiner Bedeutung für die Ausbildung einer umfassenden Handlungsfähigkeit Heranwachsender hervorgehoben (Deutscher Sportlehrerverband, Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft, Deutscher Olympischer Sportbund & Fakultätentag Sport, 2019). Da es innerhalb der curricularen Vorgaben im Unterrichtsfach Sport thematische Freiräume für Lehrerinnen und Lehrer gibt und Überzeugungen von Lehrkräften Einfluss auf die Gestaltung von Lernsettings haben (Reusser & Pauli, 2014), erscheint es umso wichtiger zu prüfen, mit welcher Grundhaltung bereits Sportstudierende hinsichtlich des Themas Doping und Dopingprävention ausgerüstet sind. Die eigene Health Literacy von Studierenden dient demzufolge als Ausgangspunkt für eine zukünftige Arbeit mit verschiedenen Interessengruppen, seien es beispielweise Schülerinnen und Schüler, Athletinnen und Athleten oder Patientinnen und Patienten.

3 DIE GESELLSCHAFTLICHE BEDEUTUNG UND SCHULISCHE RELEVANZ VON DOPING(PRÄVENTION)

Egal, ob man Athletinnen und Athleten, (Sport-)Studierende oder Schülerinnen und Schüler ins Zentrum einer wissenschaftlichen Betrachtung stellt: Handlungen erfolgen zielgerichtet und sind in einen Kontext eingebettet (Häcker & Stapf, 2004), der gemäß handlungstheoretischer Ansätze sowie gemäß der Vulnerabilitätsfaktoren des Life-Cycle Model of Performance Enhancement (Petróczi & Aidman, 2008) durch ein Zusammenwirken von Aufgabe/Situation (situational factors), Umwelt/System (systemic factors) und Person (personality factors) charakterisiert wird. Entsprechend dieses Modells mündet dieses Zusammenspiel in eine dopingablehnende oder -befürwortende Einstellung und kann nachfolgend einen leistungssteigernden Substanzkonsum auslösen. Entsprechend aktuellerer Modellvorstellungen werden die Faktoren flankiert von Gründen für oder gegen ein Verhalten (Petróczi et al., 2017; Westaby, 2005). Die einzelnen Faktoren sind hierbei nicht klar voneinander abgegrenzt und werden im Folgenden im Transfer auf den allgemeinen Sportkontext sowie den Konsum leistungssteigernder Substanzen im nicht-athletisch geprägten Bereich dargestellt, den das Modell explizit miteinschließt. Die dargestellten Faktoren (mit Ausnahme des als vergleichsweise stabil angesehenen Personenfaktors) dienen gleichermaßen als Orientierungspunkte für die Implementierung von Präventionsmaßnahmen sowie als Grundlage der vorliegenden Untersuchung.

3.1 Doping(prävention) unter Berücksichtigung der Umwelt-Perspektive

Die Wirkung des Faktors Umwelt wird von Petróczi und Aidman (2008) als wandelbar angesehen. Er umfasst die Haltung gegenüber leistungssteigernden Substanzen innerhalb einer Gesellschaft sowie die Wahrnehmung von Fairness oder Sanktionen. Somit werden Konzepte angesprochen, die auch im Sportstudium oder allgemeinen Sportunterricht bedeutsam sind. Betrachtet man diesen systemischen Faktor sollte zunächst eine Relevanzeinschätzung erfolgen, die zur Legitimation der Berücksichtigung von Doping(prävention) im (Sport)Studium oder Unterricht und somit auch außerhalb athletischer Zielgruppen beiträgt. Im Leistungssport existieren Indizien, dass die von der Welt Anti-Doping Agentur (2018) identifizierte Anzahl von 1.4 % auffälliger Proben „die Spitze des Eisbergs“ darstellen. Dieser Zahl stehen Prävalenzhochrechnungen aus dem Leichtathletikbereich von bis zu 61.8 % (Ulrich et al., 2017) sowie Schätzungen für den internationalen (48.8 %) und nationalen (25.5 %) Leistungssport gegenüber (Pöppel & Büsch, 2019). Darüber hinaus stellt der Missbrauch leistungssteigernder Substanzen auch ein Problem des Breiten- und Freizeitsports (Nieß, Striegel, & Wiesing, 2014) sowie in Fitnessstudios dar, inklusive gravierender Wissenslücken über die (Folge-)Wirkungen der Substanzen (Kläber, 2010). Motive für den Einsatz von Substanzen sind nicht ausschließlich die Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit, sondern auch persönliche ästhetische Zielstellungen (Pedersen, 2010). Somit ist die Relevanz dieses Themenbereichs nicht ausschließlich im (Leistungs-)Sport zu verorten und der Blickwinkel der Betrachtung deutlich weiter zu fassen (z. B. Arzneimittelmissbrauch), was wiederum Chancen für problemorientierte Aufgabenstellungen und eine Förderung von Health Literacy bietet.

Das Doping-Einstiegsalter kann bereits in der Präadoleszenz liegen, ist unabhängig vom sportlichen Leistungsniveau und die Bereitschaft zur Nutzung steigt mit zunehmendem Alter (Wanjek, Rosendahl, Strauss, & Gabriel, 2007). Demnach kann die Adoleszenz als vulnerable Phase angesehen werden, wodurch auch das Handeln von (angehenden) Sportlehrkräften über den Leistungssportkontext hinaus für die Ausbildung einer kritischen Haltung gegenüber leistungssteigernden Substanzen von Schülerinnen und Schülern an Bedeutung gewinnt. Mit dem Ziel einer frühzeitigen Prävention und Gesundheitsförderung werden mittlerweile aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive positiv konnotierte Maßnahmen gefordert, die pharmakologische Hilfen im Alltag als charakteristisch für die gegenwärtige Zeit erachten und ein offeneres Problembewusstsein auslösen sollen (Petróczi et al., 2017). Grundlegend – auch in Hinblick darauf, ob Doping(prävention) als universitär oder schulrelevantes Thema empfunden wird – stellt sich die Frage, wie Doping gesellschaftlich wahrgenommen wird.

Auf den Leistungssport bezogen konnte international einerseits eine ablehnende Haltung der Bevölkerung gegenüber dem Einsatz von Doping aufgezeigt werden (Engelberg, Moston, & Skinner, 2012). Andererseits konnte ein Wandel von einer Null-Toleranz-Haltung zu einer liberaleren Dopingauffassung unter Sportstudierenden festgestellt werden (Vangrunderbeek & Tolleneer, 2010). Sollte sich eine liberalere Haltung bestätigen, wäre eine Wissensvermittlung und/oder eine Bearbeitung von individuell als relevant erachteten Frage- und Problemstellungen umso wichtiger. Dadurch sollten Entscheidungen bewusst und in Kenntnis von Wirkungen und Nebenwirkungen getroffen werden können, was wiederum dem Verständnis von Health Literacy entspricht.

3.2 Doping(prävention) unter Berücksichtigung der Aufgaben-Perspektive

Die Aufgaben-Perspektive impliziert Einflüsse konkreter Situationen und wird als veränderbar in ihrer Wirkung aufgefasst. Unter dieser Perspektive subsumieren sich dynamische Interaktionen mit der eigenen Peergroup, Eigenschaften von Rollenmodellen oder signifikanten Anderen sowie die generelle Verfügbarkeit leistungssteigernder Substanzen (Petróczi & Aidman, 2008). Entsprechend der Modelllogik lässt sich hier auch der Umgang mit akuten Krisensituationen (bspw. Verletzungen oder Leistungsversagen) einordnen. In Anbetracht der durch das Internet erleichterten Verfügbarkeit und Beschaffung von Substanzen wäre diesbezüglich eine kritische Auseinandersetzung im universitären oder schulischen Kontext sinnvoll.

3.3 Dopingeinstellungen

Die zuvor beschriebenen Faktoren sollen entsprechend der Modelllogik in eine positive oder negative Einstellung gegenüber Doping münden (Petróczi & Aidman, 2008). Eine Erhebung der expliziten Dopingeinstellungen mittels Kurzform der Performance Enhancement Attitude Scale (PEAS-S) ergab bei englischen Sportstudierenden eine ablehnende Haltung gegenüber Dopingsubstanzen (Vargo et al., 2015). Betrachtet man darüber hinaus den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln, die als bahnend für einen späteren Einsatz von Dopingsubstanzen und eine positivere Einstellung gegenüber Doping angesehen werden (Backhouse, Whitaker, & Petróczi, 2013), nutzten 20 % der 12- bis 17-Jährigen unabhängig vom eigenen Sporttreiben, ohne ernährungsphysiologische Notwendigkeit und unaufgeklärt Nahrungsergänzungsmittel (Carlsohn, 2015). Geht man davon aus, dass sich Daten aus dem kanadischen Raum näherungsweise übertragen lassen, sollte auch unter sportaffinen Studierenden ein vergleichsweise höherer Nahrungsergänzungsmittelgebrauch zu verzeichnen sein (vgl. Kristiansen, Levy-Milne, Barr, & Flint, 2005). Für das Setting Universität oder Schule bedeutet dies eine sinnvolle und potenziell fächerübergreifende Betrachtung der Wirkungen und Nebenwirkungen der Zufuhr von Substanzen auf den eigenen Organismus, um bereits Schülerinnen und Schülern zu reflektierten Entscheidungen zu verhelfen oder eine begründete Position zu vertreten. Während die Personen-Perspektive als stabil angesehen werden kann, sind vor allem Umwelt- und Aufgabenparameter, welche auch konkrete Situationen einschließen, als veränderlich anzusehen (Petróczi & Aidman, 2008).

4 DOPINGPRÄVENTION IN LEHR-LERN-SETTINGS

Einzelne Studien konnten einen Nutzen von Präventions-Lehreinheiten im schulischen Kontext aufzeigen. So ließen sich positive Effekte hinsichtlich expliziter Dopingeinstellungen, einem sportlichen Normverständnis und gesundheitlicher Parameter in Folge einer thematisch breit angelegten Anti-Doping-Intervention mit zehn Unterrichtseinheiten zu Gesundheit, Moral, sozialen und psychologischen Aspekten sowie Nutzung von Nahrungsergänzungsmitteln und Dopingsubstanzen im schulischen Kontext erreichen (Barkoukis, Kartali, Lazuras, & Tsorbatzoudis, 2016). Zusätzlich zeigte eine weitere Studie einen positiven Effekt in Folge von zwölf Interventionssitzungen, die auf den übergreifenden Bereich Media Literacy abzielten. Im Rahmen dieser Sitzungen erhielten die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, mit Expertinnen und Experten (z. B. aus dem Bereich Sport, Kommunikation oder Psychologie) zu diskutieren und wurden insgesamt ermutigt sich möglichst aktiv einzubringen. Insofern wird ein breites Spektrum an Notwendigkeiten und Möglichkeiten deutlich, welches sinnvoll, und gerade auch unter einer problemorientierten Perspektive, in Lernprozesse und den schulischen Kontext implementiert werden könnte. In Einklang mit den Forderungen einer gesamtgesellschaftlich angelegten Prävention (Petróczi et al., 2017) liegen der vorliegenden Studie folgendes Thema und folgende Fragestellungen zugrunde:

Die Konstitution von Health Literacy von Sportstudierenden am Beispiel Doping: Welche dopingbezogenen Haltungen und Wahrnehmungen lassen sich identifizieren und wie lässt sich das Thema Doping(prävention) problemorientiert in einem Lehr-Lern-Kontext in die universitäre oder schulische Sportlehre implementieren?

Orientiert an diesen Fragestellungen geht die Untersuchung auf insgesamt vier Bereiche ein. Auf einer Makroebene soll das vorliegende Verständnis von Sport als thematisch übergreifende Ausgangslage betrachtet werden:

1. Das allgemeine Sport- bzw. Schulsportverständnis als Abbild eines Gesamtsystems, in das sich Doping als Subfacette eingliedert.

Auf einer Mikroebene erfolgt die Bearbeitung des Themas angedockt an das vorliegende dopingbezogene Grundverständnis sowie konkrete Lehr-Lern-Kontexte. Fokussierend auf den Umwelt-Faktor des Life-Cycle Model of Performance Enhancement werden hierbei die folgenden drei Bereiche betrachtet:

2. Die gesellschaftliche Wahrnehmung des Schweregrads von Doping über verschiedene sportbezogene Niveaustufen.

3. Grundlegende Haltungen und explizite Dopingeinstellungen als Indikatoren für die Einschätzung der (gesellschaftsbezogenen) Relevanz, auf Basis derer Studierende das Thema erfassen und     (angehende) Lehrkräfte (problemorientierte) Unterrichtsideen ableiten.

4. Ideen zur Umsetzung von Dopingprävention im Spitzensport und Ableitungen für Lernsettings im Sport wie die Bereitschaft den Sportunterricht für ein breiteres Themenspektrum sowie alternative Herangehensweisen der Bearbeitung zu öffnen.

5 METHODE

Die Datenerhebung dieser Querschnittuntersuchung erfolgte im Zeitraum Juli bis August 2019 über das Online-Umfragetool LimeSurvey. Die Rekrutierung der Teilnehmenden erfolgte über (Online-)Werbung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, wobei bedingt durch Aushänge im Institut für Sportwissenschaft primär Sportstudierende zur Teilnahme eingeladen wurden. Da Doping und Dopingprävention als gesamtgesellschaftliches Phänomen erachtet werden, war die Einladung zur Studienteilnahme nicht auf Lehramtsstudierende begrenzt. Die Teilnehmenden wurden zu Beginn des Fragebogens darüber informiert, dass ihre Daten anonym erhoben werden, ihre Teilnahme freiwillig ist und sie ihre Teilnahme jederzeit beenden können.

Der Fragebogen umfasste hauptsächlich geschlossene Fragen. Sofern keine validierten Fragebögen vorlagen, orientierten sich die Fragen an Studienergebnissen oder publizierten Konzepten. Die Inhalte des Fragebogens werden im Folgenden dargestellt: Im Anschluss an die einleitende Begrüßungsseite wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgefordert, vier Einschätzungen von 0 bis 100 % vorzunehmen: ihre Einschätzung der Verbreitung von Doping im internationalen Leistungssport, im nationalen Leistungssport, im nationalen Breiten- und Freizeitsport sowie unter Sportstudierenden. In Folge der Schätzungen wurden die expliziten Dopingeinstellungen der Teilnehmenden mittels der in die deutsche Sprache übersetzten PEAS-S (Vargo et al., 2015) erfasst, die über eine adäquate Reliabilität (Cronbach’s α = .73 [95% CI: .63, .81]; Widaman, Little, Preacher, & Sawalani, 2011) verfügt. Die Skala beinhaltet acht Statements zu denen die Teilnehmenden auf einer 6-Punkt-Likert Skala (1 = stimme überhaupt nicht zu, 6 = stimme vollkommen zu) Stellung beziehen (z. B. „Die mit Doping verbundenen Risiken werden übertrieben). Die Auswertung erfolgt mittels Summerwert, orientiert an den von Vargo und Kollegen (2015) definierten Grenzwerten (8-14: starke Ablehnung, 15-21: Ablehnung, 22-28: geringfügige Ablehnung, 29-35 geringfügige Zustimmung, 36-42: Zustimmung und 43-48 starke Zustimmung). Auf Einzelitemebene (nominalskaliert) wurde zudem erfasst, wie schwerwiegend Doping als Problem im Sport angesehen wird (abgeleitet aus: Stamm, Lamprecht, & Kamber, 2014), wie mit Dopingvergehen im Spitzensport umgegangen werden sollte (abgeleitet aus: Savulescu, Foddy, & Clayton, 2004; Vangrunderbeek & Tolleneer, 2010), ob zwischen vorsätzlichen und nicht-intendierten Verstößen hinsichtlich der Sanktionierung unterschieden werden sollte sowie welche Grundhaltung einer modernen Dopingprävention zugrunde liegen sollte (abgeleitet aus: Petróczi et al., 2017).

Die Folgeseite des Fragebogens fokussierte den Bereich Dopingprävention zunächst allgemein und dann im Kontext Schule bzw. im Sportunterricht. So wurden in diesem Bereich des Fragebogens konkrete Schulfächer abgefragt, im Rahmen derer das Thema (Anti-)Doping bearbeitet werden könnte. Abgeleitet aus dem kanadischen Ontario Curriculum für Physical and Health Education (Ontario Ministry of Education, 2018), welches didaktische und methodische Umsetzungsideen zur Erreichung von Physical sowie Health Literacy anbietet, wurde eine Haltung zu diesen Ideen für die Bearbeitung des Themas Dopingprävention in einem Lehr-Lern-Kontext erfragt. Den Teilnehmenden wurden hierzu verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten wie beispielsweise lehrerzentrierter Unterricht, Rollenspiele, Diskussionsrunden oder problemorientiertes Lernen präsentiert und sie konnten darüber hinaus eigene Ideen benennen.

Abschließend erfolgte eine Erfassung des globalen Verständnisses von Sport und Sportunterricht. Zur Operationalisierung wurden zunächst 13 Attribute abgeleitet, die als charakteristisch für den Bereich Sport angesehen werden und die gemeinsam das Konstrukt Sportverständnis bilden (siehe Abbildung 1). Auf einer 5-Punkt-Likert Skala (1 = stimme gar nicht zu, bis 5 = stimme sehr zu) gaben die Teilnehmenden an, wie stark sie das jeweilige Attribut mit Sport bzw. Sportunterricht verbinden.

Die Datenanalysen erfolgten mittels der Programme IBM SPSS Statistics 26, JASP Statistiksoftware Version 0.11.1 (JASP Team, 2019, jasp-stats.org/), Psychometrica (Lenhard & Lenhard, 2016, psychometrica.de/effektstaerke.html) zur Berechnung von Effektgrößen sowie G*Power, Version 3.1 (Faul, Erdfelder, Buchner, & Lang, 2009) für Ex-Post Power Berechnungen.

Von den insgesamt 102 Zugriffen auf den Fragebogen wurden 20 Datensätze von den weiteren Analysen ausgeschlossen, da entweder keine Daten übermittelt wurden (= 10) oder weniger als die Hälfte des Fragebogens bearbeitet wurde (n = 10). In die Auswertung gehen die Daten von 82 Personen (weiblich: 52.4%, n = 43) mit einem Durchschnittsalter von 25.75 Jahren (SD = 7.98) ein. Die Stichprobe bestand zu einem Großteil (69.5 %, n = 57) aus Studierenden, von denen wiederum eine Mehrheit ein Lehramtsstudium (64.9 %, n = 37) mit dem Ziel Sport-Lehramt (83.8%, n = 31) absolviert. Vierzehn Personen (17.1 %) der Stichprobe sind ausgebildete Lehrkräfte.

Den nachfolgenden Berechnungen ging eine Prüfung auf Normalverteilungs-Verletzungen mittels Shapiro-Wilk Test voraus. Für die intervallskalierten Variablen Wahrnehmung des Schweregrads von
Doping über verschiedene Niveaustufen (Range: W(78-81 = 0.80-0.96, p < .001), explizite Dopingeinstellungen (W(82) = 0.92, p < .001), Sportverständnis fokussiert auf den Bereich Sport allgemein (Range: W(78-79) = 0.75-0.91, p < .001) sowie fokussiert auf den Bereich Sportunterricht (Range: W(78-79) = 0.44-0.92, p < .001) wurden Verteilungsverletzungen ermittelt, sodass Berechnungen auf Basis non-parametrischer Verfahren erfolgten. Entsprechend der den Tests inhärenten Logik werden sowohl der jeweilige Median (Mdn) sowie die mittlere absolute Abweichung (MAD), als auch Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD) berichtet.

6 ERGEBNISSE

6.1 Sportverständnis

Zum Vergleich des Sportverständnisses wurden die einzelnen Attribute jeweils in ihrer Einschätzung bezogen auf den Sport sowie den Sportunterricht gegenübergestellt und Unterschiede mittels Wilcoxon-Tests berechnet. Hinsichtlich acht Attributen zeigte sich eine deutliche Differenzierung im Verständnis der Teilnehmenden zwischen Sport und Sportunterricht (siehe Abbildung 2). Den Bereich Doping verorteten die Teilnehmenden signifikant eher im Sport (Mdn = 2.00, MAD = 1.00; M = 1.73, SD = 0.84) als im Sportunterricht (Mdn = 1.00, MAD = 0; M = 1.16, SD = 0.41; z[n = 79] = -5.19, p < .001, r = .41, OR = 5.18, 1-β > .99). Gleichermaßen werden die Attribute Training (z[n = 78] = -6.28, p < .001, r = 50, OR = 8.21, 1-β > .99), Talent, (z[n = 78] = -5.45, p < .001, r = .44, OR = 5.80, 1-β > .99), große Sportereignisse (z[n = 79] = -5.01, p < .001, r = .40, OR = 4.85, 1-β > .99), Wettkämpfe (z[n = 78] = -4.36, p < .001, r = .35, OR = 3.86, 1-β > .99), das Übertreffen eigener Leistungen (z[n = 79] = -3.99, p < .001, r = .32, OR = 3.36, 1-β = .99) sowie feste Strukturen (z[n = 79] = -2.45, p < .014, r = .20, OR = 2.06, 1-β = .75) signifikant stärker als Teil von Sport als von Sportunterricht verstanden. Ausschließlich das Attribut Lerngelegenheiten wird signifikant stärker als Teil des Sportunterrichts bewertet (z[n = 79] = 2.38, p = .017, r = .19, OR = 2.01, 1-β = .73).

6.2 Wahrnehmung des Schweregrads von Doping

Als Indikator der Einschätzung des Doping-Schweregrads über vier verschiedene sportbezogene Niveaustufen wurde ein Friedman-Test berechnet. Die vier Einschätzungen wurden hierbei als messwiederholter Parameter betrachtet. Es zeigte sich, dass die Teilnehmenden zwischen den Niveaustufen deutlich differenzieren (ꭓ2F = 109.90, p < .001, w = .68). Nutzt man den Wilcoxon-Test für eine paarweise Gegenüberstellung und somit multiplen Einzelvergleich in absteigender Reihenfolge des sportlichen Niveaus (Bonferroni-Korrektur für das zugrunde gelegte α-Niveau: α = .05/3 = .017) schätzen die Teilnehmenden die Verbreitung von Doping im internationalen Leistungssport (Mdn = 50.00, MAD = 29.65; M = 49.33, SD = 25.52) als annähernd elf Mal häufiger und somit signifikant gravierender als im nationalen Leistungssport ein (Mdn = 30.00, MAD = 22.24; M = 35.42, SD = 23.85; z[n = 81] = -6.83, p < .001, r = .54, OR = 10.81, 1-β > .99). Zudem wird der nationale Leistungssport als mehr als drei Mal dopingbehafteter wahrgenommen als der nationale Freizeit- und Breitensport (Mdn = 16.50, MAD = 17.05; =24.25, SD = 22.82; z[n =80] = -3.97, < .001, r = .31, OR = 3.32, 1-β = >.99). Unter Sportstudierenden wird Doping signifikant als am wenigsten wahrscheinlich eingeschätzt (Mdn = 10.50, MAD = 10.38; M = 18.28, SD = 18.05, z[n = 78] = -3.07, = .002, r = .02, OR = 2.51, 1-β > .99).

6.3 Grundlegende Haltung gegenüber Doping

Die Teilnehmenden verfügen gemäß der Grenzwerte von Vargo und Kollegen (2015) über eine ablehnende Einstellung gegenüber
Doping (MPEAS-Summe = 14.96, SD = 5.16, Mdn = 14.00, MAD = 4.45). Die Werte dieser Stichprobe liegen signifikant unter den Werten einer Studierendenstichprobe aus Großbritannien (MPEAS-Summe = 18.47, SD = 8.61) der zuvor benannten Autorengruppe (z[n = 82] = -5.18, p < .001, r = .52, OR = 12.51). Die vorliegende Stichprobe kann somit vergleichsweise als zwölfmal dopingkritischer bezeichnet werden.

Auf Einzelitemebene zeigte sich ebenfalls eine dopingkritische Haltung, die allerdings nicht uneingeschränkt ist. So bewertet ein Großteil der Teilnehmenden Doping als ein ernstzunehmendes (54.9 %, n = 45) oder sehr ernstzunehmendes Problem (40.2 %, n = 33). Die gegenwärtige deutsche Rechtlage nach der wiederholte Dopingvergehen mit zunehmend härteren Strafen geahndet werden, befürworten 65.9 % (n = 54). Extreme Haltung wie das direkte Verhängen einer lebenslangen Strafe (17.1 %, n = 14) oder eine Legalisierung von Doping im Leistungssport (6.1 %, n = 5) finden nur wenig Zustimmung. Weiterhin spricht sich ein Großteil der Stichprobe (89.7 %, n = 67) dafür aus, dass zwischen versehentlichem und vorsätzlichem Doping unterschieden werden sollte. Als Grundhaltung befürwortet ein Großteil der Stichprobe die Aussage, dass Doping den ethischen Prinzipien des Sports widerspricht und nicht akzeptiert werden dürfe (73.2 %, n = 60), gegenüber einer offeneren Haltung, die pharmazeutische Hilfen zur Leistungssteigerung als prägend für den Alltag ansieht (26.8 %, n = 22).

6.4 Problemorientiertes Lernen und Ideen zur Implementierung von Doping in Lehr-Lern-Kontexte

Neben einer Implementierung im Rahmen des Sportunterrichts (93.9 %, n = 77) eignet sich der Themenbereich Doping und Dopingprävention nach Meinung der Teilnehmenden auch für eine Fokussierung im Rahmen folgender Fächer oder Themenbereiche: Biologie (75.6 %, n = 62), Ethik (52.4 %, n = 43), Ernährung (28.0 %, n = 23), Chemie (15.9 %, n = 13), Sozialkunde (14.6 %, n = 12) oder Politik (8.5 %, n = 7). Gefragt nach dem Alter ab wann eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Doping erfolgen sollte, geben die Teilnehmenden durchschnittlich ein Alter von 12.55 Jahren (SD = 2.35, Range: 6-18 Jahre) an, was ungefähr einer Implementierung im Rahmen der siebten Klasse entspricht.

Hinsichtlich der Implementierung des Themas in einen Lehr-Lern-Kontext werden vor allem Zugänge befürwortet, die Lernenden individuelle Schwerpunktsetzungen ermöglichen, wie beispielsweise Diskussionsrunden (74.4 %, n = 61), eigenständige Nachforschungen zum Beispiel im Rahmen eigener kleinerer Fragestellungen (53.7 %, n = 44), problemorientiertes Lernen (51.2 %,
n = 42), kritisches Hinterfragen von Aussagen zum Beispiel medialer Veröffentlichungen (46.3 %, n = 38), Analyse von Medienmaterial (41.5 %, n = 34) oder der Möglichkeit zur Erstellung eigener Bezüge zum Thema (46.3 %, n = 38). Traditionelle Unterrichtsformen, die auf Zuhören der Lernenden (7.3 %, n = 6) sowie lehrpersonenzentriertem Unterricht (14.6 %, n = 12) basieren, werden vergleichsweise deutlich weniger favorisiert.

7 DISKUSSION

Der Themenbereich Doping und Dopingprävention erscheint gut geeignet für problemorientierte Lehr- und Lern-Settings in der (Hoch-)Schule und aktiviert fachübergreifende Betrachtungs- und Herangehensweisen. Dies sollte sich wiederum positiv auf die Health Literacy einer Person auswirken. Hinsichtlich des Verständnisses von Sport und Sportunterricht zeigt sich, dass die Teilnehmenden deutlich differenzieren. Während insbesondere Lerngelegenheiten mit Sportunterricht verknüpft werden und somit auch das allgemeine Literacy-Potenzial des Fachs betont wird, wird Doping kaum mit Sport oder Sportunterricht assoziiert. Gerade mit Blick auf ästhetische Motive des Substanzgebrauchs (Pedersen, 2010), oder die Verwendung leistungssteigernder Substanzen in Fitnessstudios (Kläber, 2010) sowie dem hohen gesellschaftlichen Wert von (Leistungs-)Sport (vgl. Petróczi et al., 2017) könnten Handlungsmöglichkeiten unterschätzt werden. Ein Anknüpfungspunkt könnte hier der Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln sein, bei denen einerseits anzunehmen ist, dass deren Verwendung unter Sportstudierenden verbreitet ist (vgl. Kristiansen et al., 2005) und deren Verwendung andererseits unter einer Optimierungsperspektive betrachtet werden kann. Alternativ kann die Aussage aber auch so gedeutet werden, dass sich die Teilnehmenden von Doping distanzieren und dieser Bereich im Sportunterricht keine Relevanz besitzen soll. Unabhängig davon, ob Studierende Sport mit dem Berufsziel Lehramt studieren, scheint das Thema Doping(prävention) geeignet und wertvoll, um sich mit Themen wie Leistung, Körper und Ästhetik problemorientiert und multiperspektivisch auseinanderzusetzen und eine eigene Haltung zu entwickeln. Über eine Einbindung dopingbezogener Themen (z. B. Wirkung von Substanzen auf den Organismus) und eine Steigerung der Health Literacy sind im Transfer auch positive Effekte für andere Präventionsbemühungen, die auf Alkohol, Nikotin oder Drogen abzielen, vorstellbar.

Die Relevanz des Themenkomplexes wird mit zunehmendem Leistungsniveau höher eingeschätzt, wobei die persönlich engste Bezugsgruppe (hier Sportstudierende) als am wenigsten dopingbehaftet angesehen wird. Dies kann zum einen durch einen real niedrigeren leistungssteigernden Substanzkonsum unter Sportstudierenden begründet sein oder durch eine selektive Wahrnehmung. Vergleichbar mit den Befunden aus dem Trainerinnen- und Trainerbereich (Pöppel & Büsch, 2019) zeigt sich, dass die Wahrnehmung des Schweregrads von Doping in erster Linie an den Leistungssport geknüpft wird. Für eine problemorientierte sportwissenschaftliche Lehre bedeutet dieses Ergebnis, dass eine Annäherung an das Thema Doping(prävention) angeknüpft an den Leistungssport erfolgen sollte. So ließe sich beispielweise aufbauend auf dem schulischen Präventionsmaterial (Alpermann et al., 2012) diskutieren, ob Doping legalisiert werden sollte oder - auf den universitären Kontext bezogen - wie das Thema Chancengleichheit und Substanznutzung in sportpraktischen Prüfungen gehandhabt werden könnte.

Hinsichtlich grundlegender Dopinghaltungen geben die Teilnehmenden günstige Grundvoraussetzungen für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema an. In Einklang mit Engelberg und Kollegen (2012) sehen die Teilnehmenden Doping zu einem Großteil als ein (sehr) ernst zu nehmendes Problem an. Entgegen Befunden, die auch liberalere Haltungen im Studierendenkontext aufzeigten (Vangrunderbeek & Tolleneer, 2010), zeigte sich die vorliegende Stichprobe durchgängig dopingablehnend. Auch die eigentlich als weniger repressiv propagierte Haltung, pharmazeutische Hilfen zur Leistungssteigerung als Phänomen der heutigen Gesellschaft zu erachten (Petróczi et al., 2017), wurde als Grundhaltung einer modernen Prävention größtenteils abgelehnt. Im Vergleich zu Studierenden aus Großbritannien (Vargo et al., 2015) wies die vorliegende Stichprobe noch dopingkritischere explizite Dopingeinstellungen auf. Auch unter Berücksichtigung möglicher sozial erwünschter Antworttendenzenden zeigte sich kein Bodeneffekt in der Auswertung der PEAS-S, sodass das Führen kritischer und auch ergebnisoffener, konstruktiver Diskussionen im (Hoch-)Schulkontext möglich sein sollte.

Bezogen auf den Bereich Denken und Lernen im sport(wissenschaftlichen) Kontext befürworten die Teilnehmenden eine Andockung an verschiedene Fächer und Methoden, was einerseits Idee des problemorientierten Lernens (Reussers, 2005) und einer vielschichtigen Betrachtung von Aufgabenstellungen ist, und andererseits den im Ontario Curriculum for Physical and Health Education (Ontario Ministry of Education, 2018) formulierten Umsetzungsideen für Lerninhalte entspricht. Lehrende sollten größere Themenkomplexe für eine problemorientierte Bearbeitung anbieten (z. B. Doping im Sportunterricht) und – wie von den Studierenden angezeigt – offenere Bearbeitungsformen wählen (z. B. die Bearbeitung kleinerer Forschungsprojekte).Dieses Vorgehen ermöglicht eigene Schwerpunktsetzungen und eröffnet die Möglichkeit an von Lernenden als relevant erachteten Themen zu arbeiten, wodurch eine Steigerung von Motivation und Interesse erzielt werden könnte und ein verbesserter Lernerfolg erwartbar wäre (vgl. Hasselhorn & Gold, 2017; Luttenberger et al., 2019). Dieser Lernerfolg könnte sich dann in bewussteren, gesunden Entscheidungen und einem fundierten Hintergrundwissen zeigen, was dem Konzept der Health Literacy (vgl. Rootman & Gordon-El-Bihbety, 2008) sehr entgegen kommt. Das Thema Doping und Dopingprävention wird, in Einklang mit schulischen Curricula, hauptsächlich im Sportunterricht verortet, aber dennoch zeigt sich eine offene Haltung gegenüber einer Angliederung an naturwissenschaftliche oder sozialwissenschaftliche Fächer. Mit dieser offeneren Betrachtung sollten gerade Studierende der Sportwissenschaft als Querschnittdisziplin, die ein übergreifendes Denken und interdisziplinäre Sichtweisen erfordert, über eine sehr gute Ausgangsposition verfügen.

Fokussierend auf den Bereich des wissenschaftlichen Denkens in der Sportwissenschaft ist ein Benefit für die Behandlung von Themen, die das individuelle Interesse sowie die Motivation der Studierenden ansprechen, zu erwarten. Die Ermöglichung eigener Schwerpunktsetzungen und freierer Zugänge wird entsprechend der Angaben der Teilnehmenden geschätzt und sollte zu einem
größeren Lernerfolg führen. In Einklang mit den Grundgedanken des problemorientierten Lernens (Reusser, 2005) sollte sich auch die Möglichkeit über Disziplingrenzen hinaus zu denken, positiv auswirken. Der Themenbereich Doping(prävention) eignet sich daher besonders, um kritisches Denken innerhalb der Sportwissenschaft und auch im Sportunterricht zu fördern. Die Daten deuten eine Bereitschaft an, sich dem Thema mit offeneren Lehr-/Lernformen zu nähern.

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