Erfahrungsbasiertes Lernen im lehramtsbezogenen Sportstudium
Erfahrungsbasiertes Lernen im lehramtsbezogenen Sportstudium: Interkulturelles Sportmentoring als Projektseminar
Prof. Dr. Silke Sinning, Niklas Lütgerodt & Dr. Inka Engel
ZUSAMMENFASSUNG
In Zeiten der immer heterogener werdenden Schulklassen stellen die Förderung der interkulturellen Kompetenz sowie die konstruktive Auseinandersetzung mit den integrativen Prozessen im Sportunterricht zwei zentrale und zeitgemäße Aufgaben in der Sportlehramtsausbildung dar. Welche Seminarformen und -inhalte können genau jene Aufgaben in einem adäquaten Theorie-Praxis Bezug abdecken? Im Projektseminar der Universität Landau bilden erfahrene Sportstudentinnen und -studenten ein 1:1-Tandem mit einem geflüchteten sportlich interessierten Menschen und begleiten diesen im Hinblick auf die weitere sportive und persönliche Entwicklung. Ziel ist es, einerseits den geflüchteten jungen Menschen durch Sport eine Interaktion, auch nonverbal, zu ermöglichen, durch welche sich soziale Beziehungen und Netzwerke entwickeln, die als brückenbildendes Sozial- und Humankapital und damit als Unterstützung zur Integration verstanden werden. Die Studierenden werden durch das interkulturelle Mentoring andererseits angeregt ihr eigenes (u.a. interkulturelles) Handeln und Wissen zu reflektieren, sich für andere Kulturen und Verhaltensweisen zu sensibilisieren, um dadurch ihre interkulturelle und pädagogische Professionalisierung im lösungsorientierten Arbeiten zu erweitern.
1. EINFÜHRUNG UND PROBLEMSTELLUNG
Die Zuwanderung von Geflüchteten in den letzten vier Jahren stellt eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen dar. Für Sportlehrkräfte bedeutet diese Zuwanderung das Unterrichten von Kindern und Jugendlichen, die ihre Heimat verloren haben, zum Teil ohne Verwandtschaft geflüchtet sind, zu Beginn nur wenig Deutschkenntnisse vorweisen und deren Ankommen „durch soziale und infrastrukturelle Hürden“ in Deutschland erschwert wird (Nelson, 2016, S. 337). Aufgabenbereiche, auf die viele Lehrer und Lehrerinnen nicht ausreichend vorbereitet sind. Diese Herausforderungen spiegeln sich in neuen Aufgabenfeldern der Schulen wider, welche auch in der aktuellen Lehramtsausbildung aufgegriffen werden müssen. Die Förderung der interkulturellen Kompetenz (Gieß-Stüber & Grimminger, 2007) bei den angehenden Sportlehrkräften stellt einen elementaren Ausbildungsbereich dar. Freilich führt der Sport per se nicht zur Integration noch zu interkulturellen Kompetenzen. Im Kontext der Förderung interkultureller Kompetenz braucht es reflexive und erfahrungsbasierte Lehr-Lernmethoden, welche sich an dem kulturellen Austausch und Kontakt mit Geflüchteten, authentischen Fremdheitsbegegnungen und -erfahrungen sowie Einblicke in die Integrationsmechanismen orientieren. Der vorliegende Beitrag erläutert ein seit 2018 bestehendes Projektseminar (Master), in dem angehende Sportlehrerinnen und -lehrer mit einem geflüchteten Menschen eine sportbezogene Mentoringbeziehung eingehen.
2. THEORETISCHER HINTERGRUND
2.1 Zum Verständnis des Interkulturellen Mentoringkonzepts
Mentoring ist eine Lehr-Lern- sowie Beratungsbeziehung zwischen einem oder einer Mentee („Lehrling“) und einer Mentorin beziehungsweise einem Mentor („Lehrer*in“). Es ist eine gestaltete Entwicklungspartnerschaft, die von einem Mentee und einem Mentor oder Mentorin (oder über Dritte) gesteuert wird. Die Mentor*innen dienen dabei als Vorbild durch Erfahrung, als Ratgeber, Kritiker und Förderer. Sie unterstützen die Mentee bei Zielen, deren Umsetzung und geben Orientierungshilfen bei verschiedenen Fragestellungen. Durch Offenheit, Wertschätzung und Vertrauen entsteht ein gegenseitiger selbstreflexionsanregender Prozess des Austausches sowie der Unterstützung, der bestenfalls zu einer Win-Win-Situation des gegenseitigen Wissens-, und Kompetenzerwerbs beider Parteien führt. Das interkulturelle Mentoring definiert sich über die Verschiedenheit der beteiligten Akteure: Die Zusammensetzung der Mentoring-Tandems erfolgt dabei durch die Zuschreibung verschiedener kultureller und ethnischer Identitäten (vgl. Voigt, 2017, S. 163).
Das Konzept des interkulturellen Mentorings dient vorliegend als methodischer Ansatz zur Förderung der interkulturellen Kompetenz angehender Sportlehrkräfte (Gieß-Stüber & Grimminger, 2007) und Integration von Geflüchteten. Integration wird als ein „gleichberechtigter gegenseitiger Lern- und Veränderungsprozess“ (Krummacher, 2000, S. 327) verstanden. Die Geflüchteten orientieren sich an der bestehenden Gesellschaft, aber auch die Gesellschaft, nach republikanischem Leitbild, an den Geflüchteten (Meier-Braun, 2015, S. 33). Ziel der geförderten Integration ist die Ermöglichung der aktiven, selbstständigen Teilhabe der Geflüchteten an „den zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens.“ (Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, 2010, S. 21). Angelehnt an das Integrationskonzept von Hartmut Esser konzentriert sich das hier vorgestellte interkulturelle Mentoringkonzept auf eine soziale Integration. Hartmut Esser erklärt, dass Integration in vier Dimensionen verläuft. Die kulturelle Integration, die so genannte Kulturation, bildet beispielsweise mit dem Erwerb von Wissen, Sprache und Fertigkeiten die erste Dimension. Darauf folgt die Platzierung (strukturelle Integration) mit der Übernahme von Position oder auch der Verleihung von Rechten. Die nächste Dimension, die Interaktion beziehungsweise soziale Integration, zeigt sich in der Aufnahme sozialer Beziehungen im Alltag. Die vierte und letzte Stufe, die Identifikation, meint eine identifikatorische und emotionale Integration, die sich über eine emotionale Zuwendung zu dem betreffenden sozialen System definiert (vgl. Esser, 2003, S. 5-22). Mentoringprogramme stellen nach der OECD (2016) eine adäquate Umsetzungsmöglichkeit seitens der Zivilgesellschaft dar, um die Integration Geflüchteter zu begünstigen. Sie leisten einen Beitrag zur sozialen und kulturellen Integration von Kindern und Jugendlichen mit Fluchtgeschichte, unterstützen aktiv die Integration und Teilhabe in der Gesellschaft und verhelfen zu einem Perspektiven- und Erfahrungsaustausch, wie auch der weiteren Persönlichkeitsentwicklung (vgl. Deutscher Bundestag, 2014,
S. 102). Neben der Integration dient das vorgestellte Mentoringkonzept der Förderung der interkulturellen Kompetenz, vor allem auf der Seite der angehenden Sportlehrkräfte. Dabei geht es vor allem um die Verbesserung und Reflexion der interkulturellen Kommunikations- und Handlungskompetenz. Diese wird verstanden als Fähigkeit kulturelle Bedingungen und Unterschiede zu erkennen, zu respektieren, wertzuschätzen und produktiv zur Aufgabenerfüllung zu nutzen (vgl. Mayer, 2014, S. 10). In diesem Beispiel bedient sich das interkulturelle Mentoring dem Medium Sport (vgl. Abb. 1). Dabei bieten die geforderten Aufgabenbereiche der Mentor*innen Übertragungsmöglichkeiten auf das Handeln im Sportunterricht (z.B. lösungsorientiertes Feedback, Planung und Organisation, Bewegungsprobleme sprachsensibel aufarbeiten, etc.).
2.2 Die Bedeutung des Sports im Kontext des interkulturellen Mentorings
„Es ist das Körperliche, das bei jeder Sportbegegnung, eben auch bei der interkulturellen, im Zentrum des Geschehens steht“ (Bröskamp, 1992). Sport und Bewegung bietet somit einen guten Ausgangspunkt, um im Verlauf des Lernprozesses die eigenen und fremden kulturellen Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsmuster zu
erkennen, zu verstehen und zu reflektieren (vgl. Grosch & Leenen, 1998). Daher können Förderungs-, Bildungs- und Integrationspotenziale besonders im und durch den Sport wirksam gemacht werden. Gebken (2019, o. S.) bezeichnet den Sport unter den skizzierten Aspekten als „ideale Plattform für den Aufbau inter-ethnischer Beziehungen“. Gleichwohl ist dabei zu beachten, dass der Sport nicht automatisch die integrativen Prozesse in Gang setzt und folglich eine „Ambivalenz des Integrationspotenzials des Sports“ zu konstatieren ist (Gerber & Pühse, 20162, S. 80). Beispielsweise bedarf es einer kulturellen Öffnung seitens der Mehrheitsgesellschaft, die im Sport verankert ist. Axmann (2010, S. 44 - 45) formulierte Maßnahmen, welche die Integration von Geflüchteten in den Sport begünstigen und durchaus in das Muster des Mentoringprozesses passen. Sie spricht hierbei von kulturellen Brückenbauern, die den Neuzuwanderern eine sportliche Orientierung bieten und eine unterstützende Funktion innehaben („personal support“) sowie die Einbeziehung und Berücksichtigung der privaten Gegebenheiten der Geflüchteten.
Im interkulturellen Sportmentoring entsteht eine entsprechende Begegnung innerhalb eines sportlichen Kontextes, der die Potenziale des Mentorings und des Mediums Sport kombiniert. Sport ist dabei die zentrale Maßnahme, um umfassende Integrationsmöglichkeiten schaffen zu können und ermöglicht eine enge Bindung und Vertrautheit zwischen den Beteiligten, die wiederum die Basis des interkulturellen Mentorings darstellt. Außerdem ist Sport eine körperbezogene Kommunikationsform, bei der die Bewegung als Vermittlungsorgan fungiert und folglich nur ein Mindestmaß an gemeinsamer verbaler Sprache benötigt wird. Sprachbarrieren sind im Sport daher weniger entscheidend. Sport ermöglicht auch mit geringen Sprachkenntnissen einen gegenseitigen Austausch in Gruppen und er kann als Förderung von Sprachkenntnissen dienen. Ein sprachbewusstes Mentoring im und durch Sport kann entsprechend nicht nur einen sportspezifischen Fachwortschatz fördern, sondern durch Sprachvorbilder auch eine vereinfachte alltägliche Sprache ermöglichen (Arzberger & Erhorn, 2013). So dient der Sport nicht nur als Grundlage eines nonverbalen Einstiegs in eine Gemeinschaft, sondern schafft Sprachanlässe und unterstützt das Lernen von Sprache. Um die Integrationspotenziale des Sports dabei auszuschöpfen, bedarf es der Wahrnehmung, Wertschätzung und gegebenenfalls offenen Problematisierung von Ungleichheiten in kulturellen sowie sozial heterogenen Gruppen, wie auch der Fremdheit im Sport (Burrmann, 2014, S. 25). Das interkulturelle Mentoring will in Form einer interkulturellen Sensibilisierung dazu beitragen, die Identitätsfindung und das soziale Miteinander zu fördern. Zielgerichtet angepasste (Spiel-)Regeln, die Achtung von Rollen und die strukturierte Auseinandersetzung mit Konflikten gehören dabei genauso zur gemeinsamen Aushandlung, wie Kooperationen, Verständigungen, gegenseitige Unterstützung, Toleranz, Mitmenschlichkeit, Partizipation und Fairness. Der DOSB als Dachverband des Sports in Deutschland sieht diesen dabei als Entstehungspunkt der Stärkung sozialer Beziehungen. Mit der Botschaft „ihn hinsichtlich seiner kulturellen, gesellschaftlichen sowie politischen Bedeutung weiter zu entwickeln“ (Kuhlmann & Siegel, 2014, S. 7) dient das Vereinsleben als Form des gesellschaftlichen Zusammenhalts, des Zugehörigkeitsgefühls, der Orientierungshilfe und Anerkennungsmöglichkeit immer mehr einer wechselseitigen Integration von Geflüchteten und der Gesellschaft.
3. KERNIDEE, LERNZIELE UND LEHRKONZEPT IM PROJEKTSEMINAR DES INTERKULTURELLEN SPORTMENTORINGS
3.1 Grundintention und Kernidee
Das Projektseminar „Interkulturelles Sportmentoring“ (vier SWS) des Masterstudiums des sportbezogenen Lehramts für die Sekundarstufe I und II basiert einerseits auf dem wöchentlichen Seminar, welches sich mit den theoretischen Zugängen auseinandersetzt, andererseits auf dem praktischen und eigenverantwortlichen Handeln im Mentoringprozess selbst (vgl. Abb. 2). Die Studierenden übernehmen die Rolle eines Mentors beziehungsweise einer Mentorin, begleiten einen (jungen) Menschen mit Fluchthintergrund (Mentee) in regelmäßigen Treffen über ein Semester lang und versuchen gemeinsam, ein sportliches Ziel zu erreichen (z.B. Sportverein finden, Schwimmen lernen, vollwertige Ernährung, Erreichen eines höheren Fitnesslevels, Teilnahme an einem Laufwettbewerb, etc.). Diese Grundidee des Seminars soll den Studierenden die Möglichkeit bieten, themenbezogene Lernprozesse zu organisieren, selbstständig durchzuführen, zu reflektieren und zentrale Erkenntnisse in einem Portfolio zu dokumentieren. Das bedeutete für die von uns ausgewählte Grundthematik eines interkulturellen Sportmentorings, dass eine im und durch den Sport generierte interkulturelle Begegnung angestoßen wurde, um dadurch die Identifikation mit der eigenen Kultur und fremden Kulturen in den Mittelpunkt zu rücken und einen Austausch über kulturelle und ethnische Differenzen und Gemeinsamkeiten zu fördern (Mezias & Scandura, 2004, S. 531). Demgegenüber soll das Projekt einen Mehrwert für die Mentees erzielen, welche sich individuell und zielabhängig ausdifferenzieren können. Im Idealfall können mit und nach dem Mentoringprozess integrative Prozesse (nach Esser, 2000) aus Sicht der Mentees initiiert werden. Der Prozess regt mit Hilfe des Sports dazu an, Sprachbarrieren aufzubrechen bzw. über andere Wege leichter in Kommunikation zu treten und diese zu intensivieren. Auch die Förderung der Platzierung ist möglich. Zum einen werden die Geflüchteten an den Vereinssport herangeführt und über die Möglichkeit der Übernahme von Positionen in diesem aufgeklärt, zum anderen ist auch die konkrete Hilfe der Mentor*innen bei bevorstehenden beruflichen Veränderungen, dem Schreiben von Bewerbungen oder der Vorbereitung auf schulische Leistungen sowie Vorstellungsgespräche möglich. Der Mentoringprozess bezieht sich vor allem auf die Aufnahme sozialer Beziehungen im Alltag, den Aufbau von Netzwerken, Freundschaften und Hilfesystemen. Die dritte Dimension von Hartmut Esser, die Interaktion, wird daher mit der Anregung zum ständigen Austausch und einer symbolischen Interaktion vorrangig fokussiert.
3.2 Anvisierte Lernziele und Kompetenzen
Ein einschlägiges Ziel liegt in der Ausformung einer interkulturellen Kompetenz der Studierenden, d.h. insgesamt einer sportpädagogischen und interkulturelle Professionalisierung der Lehramtsstudierenden. Daher wurden die im Seminar diskutierten aber auch im Portfolio dokumentierten Lernfortschritte des interkulturellen Mentorings stets auf die sportunterrichtliche Praxis (z.B. Wie lassen sich die organisatorischen Ansätze und Zieldefinierungen des Mentorings auf den Sportunterricht übertragen?) sowie auf den Umgang mit den Schüler*innen und auf die Rolle der Sportlehrkraft bezogen (Was kann die Sportlehrkraft vom Mentoren lernen?). Dementsprechend werden die Kompetenzen (soziale, interkulturelle, fachliche, methodische, beratende, beurteilende) im Bereich der Planung, Umsetzung und Nachbereitung Lernarrangements sowie der Evaluation sportdidaktischer Projektarbeit zu schulpraxisorientierten Themen transparent gemacht.
Um eine adäquate wissenschaftliche Auseinandersetzung anzustoßen und damit das wissenschaftliche Denken und Arbeiten bei den Studierenden zu initiieren und substanziell zu begleiten, wurden auf der Grundlage wissenschaftlicher Texte sowie dem Konzept des erfahrungsbasierten Lernens, wichtige Aspekte zu den einzelnen Themen Mentoring, Interkulturalität und Integration bearbeitet, auf die individuelle Lernsituation mit der zu betreuenden Person und den zu begleitenden bewegungsbezogenen Lernprozesses übertragen und anschließend im Sinne einer Einzelfallanalyse kriteriengeleitet ausgewertet und in einem Portfolio dokumentiert. Die Dokumentation diente zusätzlich als Grundlage für die abschließende mündliche Prüfung, in der neben der Überprüfung des Transfers wissenschaftlicher Erkenntnisse auf den verantworteten Lernprozess und der Umgang im lösungsorientiertem Arbeiten auch der Prozess der eigenen pädagogischen Professionalität kategoriengeleitet in den Blick genommen wurde.
3.3 Erfahrungsbasiertes Lernen im und durch das interkulturelle Sportmentoring
Nach welchen Lehr-Lern-Konzepten werden die formulierten Ziele und Kompetenzbereiche im Projektseminar ausgerichtet und umgesetzt? Um die formulierten Ziel- und Kompetenzbereiche im Kontext des interkulturellen Mentorings zielgerichtet anzusteuern, wurde das „Erfahrungsbasierte Lernen“ in Anlehnung an John Dewey (Berkels, 2014; Schell-Kiehl, 2007) sowie das lösungsorientierte Arbeiten (LOA) als Lehr-Lern-Konzepte eingesetzt (vgl. Abb. 3). Dabei stehen die Erkenntnisse von Behrnd (2010) im Mittelpunkt, dass besonders die erfahrungsbasierten Lehr-Lernarrangements u.a. die interkulturellen Kompetenzen fördern. Der erfahrungsbasierte Lehr-Lernansatz entwickelt sich innerhalb des Projektseminars, ausgehend von der Konfrontation mit der zentralen Aufgabe, als Mentor*in für einen geflüchteten Menschen zuständig zu sein. Diese verantwortungsvolle und selbstorganisatorische Aufgabe kann bei den Studierenden aufgrund des ungewöhnlichen Seminarcharakters zu Irritationen, Zweifel, Verwirrung und Befremdung führen, was einen idealen Lernausgang und Denkanstoß für die weitere Erkenntnisgewinnung darstellt (vgl. Dewey, 1951). Anlehnend an das erfahrungsbasierte Lehren und Lernen folgt das Projektseminar (Theorie & Praxis) der pädagogischen Leitlinie des Lösungsorientierten Arbeitens (LOA) nach Baeschlin (2008). Das Konzept zeigt auf, dass weniger die Problemergründung, sondern vielmehr die adäquate Lösungssuche im Vordergrund stehen sollte. Diese pädagogische Haltung passt in das Aufgabenprofil der Mentor*innen, welche den Mentee keine vorgefertigten Lösungen aufdrücken, sondern wertschätzend, ressourcenorientiert und kooperativ Möglichkeiten der Problemlösung erarbeiten. Dies setzt andererseits ein konstruktives Reflexionsvermögen beider Parteien voraus, wobei besonders die Mentor*innen die Reflexionsphasen initiieren.
4. INHALTE UND STRUKTUR DES PROJEKTSEMINARS
In einem ersten theoretischen Zugang wurde die Struktur eines Mentoringprogramms detailliert erläutert und geklärt, mit welchen wesentlichen Aufgaben die Studierenden als Mentor*innen in einem sport- bzw. bewegungsbezogenen Mentoring konfrontiert werden (Voigt, 2017). Dabei wurde besonders auf die Lehr-/Lern- sowie Beratungsbeziehung zwischen dem Mentee (der zu betreuenden Person) und des Mentors bzw. der Mentorin (den Studierenden) aufmerksam gemacht und verdeutlicht, dass die Mentor*innen vor allem Orientierungshilfe und Unterstützung bei einem individuell zu gestalteten, sport- und bewegungsbezogenen Lernprozess geben sollen. Hierbei wurde besonders Wert daraufgelegt, dass eine Hilfe zur Selbsthilfe der Mentee angestoßen wird. Das bedeutet zum einen, dass die sportiven bzw. bewegungsbezogenen Probleme der Mentee mit Unterstützung des Mentors bzw. der Mentorin identifiziert werden. Damit soll erreicht werden, dass die Mentee ihre eigenen Ziele erkennen und priorisieren lernen. Zum anderen soll auch der Lösungsweg bzw. Lernprozess vorrangig vom Mentee angestoßen werden, so dass der Mentor bzw. die Mentorin bei der Lösungssuche und der Begleitung des Lösungsweges/Lernprozesses nur unterstützend wirkt und keine Probleme zur Seite räumt, wenngleich während des Mentoringprozesses stets die Möglichkeit besteht, zwischen den Rollen eines Mentors und eines Coaches zu wechseln. Dies stellte die Studierenden auch vor die spannende Frage, wie die Rolle als Coach (Teilfunktion des Mentorings) im Vergleich zur Rolle als Mentor*in sowie später als Lehrende im Sportunterricht konkret gelebt werden sollte. Während es beim Coaching im Sportkontext primär um die Vorgabe der (Bewegungs-)Lösungen und kurzfristig auf kleine Zielsetzungen angelegt ist, konstituiert sich das Mentoring durch eine langfristige, enge und persönliche Unterstützungsleistung. Gleichwohl gilt der Rollenwechsel auch für strukturelle, soziale und kulturelle Problem- und Fragestellungen (z.B. der Mentee hat Probleme mit fremden Menschen in Kontakt zu treten, der Mentee weiß nicht, wie eine Bewerbung geschrieben wird, etc.).
Des Weiteren wurde kritisch-konstruktiv hinterfragt, wie Sport die Integration fördern bzw. in welcher Form der Sport und die Bewegung als Integrationsmotor wirksam werden kann (Burrmann, 2014). Da es sich um ein interkulturelles Sport-Mentoring handelt, wurde in dieser Phase gleichermaßen erarbeitet, dass sich der Mentoringprozess nicht nur auf das Begleiten eines bewegungsbezogenen Lernproblems bezieht, sondern auch der Integrationsprozess des Mentees bewusst unterstützt werden soll. Darüber hinaus wurde abgefragt, ob die einzelnen Studierenden zu einer Schülerin bzw. einem Schüler mit Fluchtgeschichte einen individuellen Zugang haben oder ob die Seminarleiter*in einen ersten Kontakt herstellen müssten. In der Regel hatten die Studierenden einen persönlichen Zugang oder konnten erste Kontakte über kirchliche Träger, Jugendämter, Sportvereine und Schulen herstellen. Die Studierenden wurden ferner aufgefordert, ihre bisherigen Erfahrungen mit Geflüchteten sowie mit Menschen anderer Nationalität systematisch in das Portfolio aufzunehmen. Gleichermaßen sollten sie darlegen, welche besonderen Kompetenzen sie als Mentor*in insbesondere im sportbezogenen Kontext mitbringen, welche hauptamtlichen und ehrenamtlichen Tätigkeitsfelder sie besetzen und wie sie diese in das Mentoring optimal einbinden können, so dass für den Mentee zusätzlich ein weiteres Aktivitäts- und Kommunikationsfeld erschlossen werden konnte. In diesem Zusammenhang entstand mit Blick auf den Mentor bzw. die Mentorin auch ein individuelles, zielgerichtetes (sportpädagogisches) Profiling im Sinne von „wer bin ich und was kann ich?“.
Nachdem alle Studierenden einen ersten Kontakt mit ihrem Mentee aufgenommen hatten, wurde im nächsten Schritt ein strukturierter Fragekatalog für das Erstgespräch im Seminar entwickelt. Dieser enthielt allgemeine sowie sportbezogene Fragen zum Kennenlernen, d.h. die sportlichen Vorlieben und Abneigungen wurden besprochen und es sollte ein Austausch über den üblichen Tagesablauf und über wesentliche Erfahrungen, die in der Kindheit im Umgang mit anderen Menschen und mit Sport gesammelt wurden, stattfinden. Um ein konkreteres Bild zu entwerfen, mit welcher Problemstellung des Mentees man sich gemeinsam auseinandersetzen möchte, wurden darauf aufbauend die aktuellen sportlichen und beruflichen Bedürfnisse und Ziele sowie Probleme des Mentees näher in den Blick genommen und priorisiert. In diesem Zusammenhang musste dann auch präzisiert werden, welche Erwartungen beide Partner insgesamt an das Mentoring-Projekt haben, woran sie den Gesamterfolg oder erreichte Teilziele des Projekts messen wollen und welche Erwartungen sie innerhalb der nächsten 6-8 Wochen realistisch erfüllen können. Schließlich wurden noch wesentliche Rahmenbedingungen wie die Kontaktzeiten und -orte, Kommunikationsformen oder auch Anfahrtswege zum Treffpunkt für die beratende Begleitung des Projektes besprochen. Im Rahmen des Austausches konnten aber auch weitere Themen in den Mittelpunkt gerückt werden, z.B. ob und welche Unterstützung der bzw. die Mentor*in geben kann, um Sprachbarrieren gezielter aufzulösen oder bei Hausaufgaben sowie anstehenden Schultests unterstützend mitzuwirken. Die Treffen sollten mind. 1-2 Stunden dauern. Die Mentor*innen mussten alle Details der Gespräche bzw. entsprechende Absprachen sowie zentrale Wahrnehmungen und Erfahrungen systematisch im Portfolio dokumentieren. Dieser Erstfragebogen wurde zeitnah umgesetzt und entsprechende Lernprozesse initiiert. Die individuellen Absprachen der einzelnen Mentoring-Tandems wurden anschließend im Seminar ausgetauscht und sprachliche oder auch materielle, finanzielle oder fahrtechnische Probleme besprochen bzw. gemeinsam nach Lösungen gesucht.
Um die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem interkulturellen Mentoring weiter voran zu treiben, wurden im Seminar konkrete Leitfragen zur Thematik Kultur und Integration sowie zum Thema Heimat und Identifikation entwickelt, die die Mentoren in einem Interview mit ihren Mentees klären sollten. Da sehr häufig individuell auf sprachliche Probleme reagiert werden musste, wurde darüber hinaus geklärt, welche empirischen Methoden wie dem Zeichnen eines Grids / bzw. einer Lebenskurve, das Nutzen von Polaritätsprofilen, Mind-Maps in der Sprache der Mentor*innen oder Prioritätensetzungen flankierend eingesetzt werden können (vgl. als Beispiel Abb. 4). Diese unterschiedlichen Herangehensweisen wurden gezielt genutzt, um Reflexions- und Gesprächsanlässe zu schaffen, die ggf. einen erleichterten Zugang zur jeweiligen Grundfragestellung bieten. Sie konnten im weiteren Interview an den Stellen, die für die Mentoring-Beziehung oder den Lernprozess relevant sind, präzisiert werden. Des Weiteren fand ein konstruktiver Austausch darüber statt, wie die Substanz des Interviews zusätzlich erhöht werden kann. Beispielsweise konnte der Mentee die Antwort in der Landessprache geben und der Text wurde später gemeinsam übersetzt. Auch die theoretische Auseinandersetzung und damit die Besonderheiten eines Portfolios wurden im Seminar herausgearbeitet und in Bezug zum aktivierten Lernprozess gesetzt. Dabei wurde das Portfolio als „[…] zielgerichtete Sammlung von Arbeiten, welche die individuellen Bemühungen, Fortschritte und Leistungen des Lernenden auf einem oder mehreren Gebieten zeigt“, verstanden. „Die Sammlung muss die Beteiligung des Lernenden an der Auswahl der Inhalte, der Kriterien für die Auswahl, der Festlegung der Beurteilungskriterien sowie Hinweise auf die Selbstreflexion des Lernenden einschließen. Damit ist die Entscheidung, das Portfolio im Seminar einzusetzen, „(...) zugleich eine Entscheidung über eine Veränderung der Lern- und Leistungskultur“ (Schmoll, 2011, S. 39) und ergänzt den Ansatz des erfahrungsbasierten Lehrens und Lernens nach Dewey. Das interkulturelle Sportmentoring strukturiert sich - nicht einfach über das bloße Sporttreiben. Um die gesteckten Ziele zu erreichen, den kulturellen Austausch anzustoßen, eigene Lernfortschritte zu generieren und die Mentoringbeziehung konstruktiv zu gestalten, wurde den Sportstudierenden das Konzept des lösungsorientierten Arbeitens (LOA) im theoretischen Zugang, aber auch in der Praxis (Fallbeispiele, Rollenspiel, etc.) näher gebracht. Diese Arbeitsweise war für viele Studierende neu und brach alte und dekonstruktive Verhaltensweisen in Problemsituationen auf. Darüber hinaus bot es Anlässe für Aufgaben, die es während des Mentoringprozesses zu bearbeiten galt. Damit verbunden war die konkrete Auseinandersetzung mit den aktuellen Problemen des Mentees: Fragen zur Heimat, zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den Kulturen in Hinblick auf Sport, Essen oder Religion. Außerdem wurde eine kritische Reflexion über unterschiedliche Facetten eines Integrationsprozesses sowie passende Integrationsprozesse aus Sicht der geflüchteten Menschen angestoßen. Dadurch sollte sowohl die soziale und kulturelle Integration von Menschen mit Fluchtgeschichte durch und in den Sport unterstützt als auch ein Perspektiven- und Erfahrungsaustausch für den Mentor bzw. die Mentorin und den Mentee (im Tandem) zur Persönlichkeitsentwicklung angestoßen werden.
Schließlich wurde in einer letzten Phase des Seminars gemeinsam erarbeitet, wie das Auflösen des Mentoring-Prozesses sinnvoll angestoßen und umgesetzt werden sollte. Dazu wurde ein finales Gespräch zwischen den Mentor*innen und den Mentee initiiert, in dem der Verlauf, die Ergebnisse und das Ende des Lernprozesses gemeinsam in den Blick genommen sowie Chancen und Probleme des Mentorings kritisch reflektiert wurden. Um das Mentoring positiv abzuschließen, sollte insbesondere adäquat aufbereitet werden, welche WIN-Situation beide Personen mit dem Projekt verbanden. Insgesamt wurde in diesem Zusammenhang deutlich, dass nicht nur Lehr-Lern- bzw. Beratungsbeziehungen zwischen den Mentor*innen und den Mentee entstanden sind, sondern kleine Freundschaften, die dazu führten, dass auch ohne Mentoring-Anlass das ein oder andere Treffen und gemeinsame Projekt angestoßen wurde.
5. ERKENNTNISSE UND DISKUSSION
Welche ersten Erkenntnisse lassen sich nun aus der Seminaridee generieren? Sowohl im Portfolio als auch im Rahmen der mündlichen Prüfungen, aber auch in anschließenden Interviews mit den Mentor*innen (und einigen Mentees) wurden die zentralen Erkenntnisse des Seminars sowie die individuellen Lernfortschritte genauer hinterfragt. Insgesamt hat sich gezeigt, dass die Studierenden mit einem deutlichen Mehrwert u.a. in Hinblick auf ihre Lehrkompetenzen aus dem Projektseminar gegangen sind, die gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse aber individuell sehr unterschiedlich ausgestaltet sind. Die nachfolgenden Erkenntnisse wurden aus den Portfolios der Studierenden generiert. Hierbei erfolgte eine kriteriengeleitete Analyse hinsichtlich der erfahrenen Problemlagen während des Mentorings (z.B. Kommunikation), die Reflexion des Rollenwechsels zwischen dem Mentoring und Coaching sowie den subjektiven Lernzuwachs durch das Sport-Mentoring.
Sprachliche Barrieren und Kommunikationsschwierigkeiten: Gespräche stellen einen zentralen Aspekt innerhalb des Mentoringprozesses dar. Einen besonderen Stellenwert erhält diese im interkulturellen Kontext bzw. in Mentoringbeziehungen mit geflüchteten Menschen. Cavanagh (2006, S. 318) stellt insbesondere die Qualität der Gespräche während des Mentorings als elementaren Bestandteil in den Vordergrund. Um die Potenziale für einen interkulturellen Wissenserwerb nutzen und die Gesprächsqualität gewährleisten zu können, braucht es eine Öffnung der Gesprächskultur.
„Je offener und je intensiver über die kulturelle/ethnische Differenz in der interkulturellen Mentoringbeziehung gesprochen wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide Seiten Zugewinneffekte von “Knowledge of different culture/ethnicity“ [Wissen über andere Kulturen/Ethnien] erleben“ (Voigt, 2017, S. 194).
Entgegen der theoretischen Zugänge kam es während des Projektseminars in wenigen Mentoringbeziehungen zu Kommunikations- und Verständigungsschwierigkeiten, welche primär auf das mangelnde Sprachvermögen der Mentees zurückzuführen waren. „Ich war mir leider immer noch nicht sicher, ob er verstand, worum es mir ging“ (m2.1), konstatierte ein Student kritisch. Somit können Verständigungsprobleme einen erheblichen Einschnitt in die Qualität des Mentorings haben, wenngleich die sprachliche Sensibilität der Mentor*innen eine bedeutende Rolle spielte. Hierbei wurden lösungsorientiert neue Kommunikationswege erarbeitet („Nonverbale Kommunikation mit Gesten und Mimik kam sehr viel zum Einsatz“ (m2.1)) oder der Sport konnte die sprachlichen Barrieren aushebeln.
„Erkenntnis, dass man versuchen sollte behutsam im Unterricht auf die SuS einzugehen (...). Neue Reflexionsmöglichkeiten kennengelernt, wenn ich mit Bildern oder so gearbeitet habe. Das merkt man erst, wenn man auf Sprache verzichten muss!“ (m.1.9)
Dennoch konnte nicht in allen Mentoringprozessen die Qualität der Gespräche gewährleistet werden, um bspw. den Austausch über die Unterschiede und Gemeinsamkeit der Kulturen zu bestimmten Aspekten zu präzisieren oder eine lösungsorientierte Gesprächsführung zu konkretisieren.
Der Rollenwechsel zwischen Mentor*in und Coach: Während des Mentorings kann es vereinzelt zu Rollenwechseln zwischen einen Mentor und eines Coaches kommen. Diese Wechselbeziehung ist innerhalb eines Mentorings nicht unüblich, sodass das Coaching als Teilfunktion des Mentorings verstanden werden kann (Voigt, 2017). Die Rolle des Coaches wurde u.a. dann stärker eingenommen, wenn der bewegungsbezogene Lernprozess akzentuierter im Mittelpunkt stand und methodische Vorgehensweisen genutzt also beispielsweise zentrale Bewegungsabläufe erklärt wurden oder, aufgrund der sprachlichen Differenzen, die Bewegungsdemonstration des Mentors die Bewegungslösung vorgegeben hat. Einige Studierende identifizierten zum einen den Rollenwechsel im Mentoringprozess und empfanden dies zum Teil als Problem, da es nicht zum lösungsorientierten Arbeiten passte. Ein Student beklagte, „eines meiner Hauptprobleme in verschiedenen Phasen des Prozesses war in verschiedenen Situationen die Differenzierung zwischen Coaching und Mentoring“ (m.1.10). Ein anderer Student konnte die Momente klar identifizieren, in denen er als Coach aktiv wurde:
„(...) die Rolle des Mentors [war] meiner Meinung nach während des gesamten Mentorings aktiv [war], während die Rolle des Coaches immer dann eingriff, wenn es um die Korrektur von Bewegungen und die Förderung von und Forderung nach Leistung ging“ (M2.6).
Lernzuwachs und Übertragung auf das Sportlehrer*innenprofil: „Mein Kopf war voller Ängste und Vorstellungen, dass es nicht so werden würde wie geplant“ (w.1.6), beschreibt eine Studentin ihre Befürchtungen vor dem Mentoringstart. Dieser Effekt tritt bei den meisten Studierenden zu Beginn des Seminars ein, welches auf die Irritationen, Zweifel, Verwirrung und Befremdung des Aufgabenprofils zurückzuführen ist. Die Anfangsbefürchtungen legten sich recht schnell, nachdem die ersten Treffen mit den Mentees abgehalten wurden. Die Studierenden konnten sowohl während als auch nach dem Mentoringprozess ihre Lernzuwächse beschreiben und auf die pädagogischen und didaktischen Aufgabenbereiche übertragen:
„Diese besondere Lehr-Lernbeziehung in welcher ich als Art Berater eines geflüchteten Menschen fungiere, erweckte in mir den Eindruck, dass ich dadurch zwangsläufig meine interkulturellen Kompetenzen zum ersten Mal in meinem Leben bewusst und auf ein klares Ziel ausgerichtet stärken kann.“ (m.2.3)
„Ich denke, dass damit (mit dem Mentoringprozess) meine vorherrschende Hemmschwelle gegenüber fremden Menschen gebrochen wurde und ich nun leichter Kontakt zu diesen finde.“ (m.2.7)
„Es hat mir gezeigt, wie wichtig eine funktionierende und gute Kommunikation ist. Vor allem, wenn es darum geht ein Vertrauensverhältnis zu schaffen.“ (m.1.8)
„(...) ein hohes Maß an Empathie, es ist enorm wichtig sich in Menschen und deren Situation versetzen zu können“. (m.1.1).
„Gerade in Bezug auf den interkulturellen Bereich, wo es, ja... um Vertrauen, Geduld und Behutsamkeit geht, ja, da konnte ich mich positiv entwickeln.“ (m.1.9)
„Parallelen zum Lehrberuf sehe ich in der Vorbereitung (...), Zieldefinierung, (...). Bei der Erklärung von verschiedenen Bewegungsausführungen im Fitnessstudio ist mir aufgefallen, dass meine Anweisungen und Erklärungen zu undeutlich und zu unpräzise sind. Ich muss mich präziser in den Erklärungen fassen“ (m.2.5)
Insgesamt zeigt sich, dass alle Studierenden fremde sowie interkulturelle Erfahrungen gemacht haben, die sich in den jeweiligen Mentoringprozessen ganz individuell ausdifferenzierten und dass sie ihre Erfahrungen zielgerichteter reflektieren und auf das Aufgabenprofil einer Sportlehrkraft übertragen konnten (u.a. nach Zoglowek, 1995). Hierbei wurden insbesondere die Aufgabenprofile des Mentors und der Sportlehrkraft verglichen und die gegenseitigen Potenziale verzahnt, wenngleich viele Überschneidungspunkte im Sinne der Organisation, Zieldefinierung und Nachbereitung gefunden wurden.
6. FAZIT UND AUSBLICK
Das interkulturelle Sportmentoring ist nicht als ein starres und vorgesteuertes Lehr-Lern-Instrument zu verstehen, es gestaltet sich vielmehr als ein vielfältiges, wechselhaftes und dynamisches Projektseminar, welches stets Anregungen für Reflexionen und Diskussionen mit den Studierenden gibt. Besonders gewinnbringend ist hierbei das erfahrungsbasierte Lehrkonzept für die Studierenden, welches sich zwangsläufig aus dem Mentoringprozess ergibt. Die enge Kopplung zwischen Theorie und den praktischen Erfahrungen führen zu einem Zugewinn innerhalb der interkulturellen Kompetenz. Indes können integrative Prozesse auf der sozialen und kulturellen Integrationsebene (vgl. Esser, 2003) für die Mentees durch das Mentoring angestoßen werden, wenngleich tiefgreifende Integrationsmechanismen über einen längeren Zeitraum zu konstatieren wären.
Darüber hinaus ergeben sich weitere Ausweitungsmöglichkeiten des Sportmentorings auf unterschiedliche Bezugsgruppen. Das sportbezogene Mentoringprojekt muss nicht zwingend in einem interkulturellen Kontext eingebunden sein, sondern kann darüber hinaus mit Schüler*innen, Vereinssportler*innen, Senior*innen, o.Ä. gekoppelt werden.
Wir schließen den Werkstattbericht mit einem Abschlusszitat eines Studenten, welches die Grundintention und das Potenzial des Projektseminars aufschlüsselt:
Arzberger, C., & Erhorn, J. (2013). Sprachförderung im Sportunterricht? Möglichkeiten und Grenzen. In A. Gogoll & R. Messmer (Hrsg.), Sportpädagogik zwischen Stillstand und Beliebigkeit : 25. Jahrestagung der dvs-Sektion Sportpädagogik vom 7. bis 9. Juni 2012 [in Magglingen], Tagungsband ( S. 132-138).
Axmann, G. (2010). Invitation for Integration – Sport associations and their chances. In W. Gasparini, & A. Cometti (Eds.), Sport facing the test of cultural diversity. Zugriff am 20. Oktober 2019 unter https://rm.coe.int/sport-facing-the-test-of-cultural-diversity-integration-and-intercultu/1680734be5
Baeschlin, M. & Baeschlin, K. (2008). Einfach, aber nicht leicht: Leitfaden für lösungsorientiertes Arbeiten in sozialpädagogischen Organisationen Winterthur: ZLB.
Behrnd, V. (2010). Interkulturelle Kompetenz durch didaktisches und erfahrungsbasiertes Training an der Universität. Interculture Journal, 9 (12), 79-96.
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