Voraussetzungen zur Vermittlung digitaler Gesundheitskompetenzen durch Sportlehrkräfte ...

... im Zuge der SARS-CoV-2-Pandemie - Eine explorative Mixed-Methods-Studie im Schulkontext

Hannes Baumann, Charlotte Meixner, Bettina Wollesen

DOI: 10.25847/zsls.2021.051

ZUSAMMENFASSUNG

Das aus der SARS-CoV-2-Pandemie resultierende Homeschooling bedarf der Entwicklung neuer digitaler Lehr-Lernkonzepte bei gleichzeitig mangelnder digitaler Infrastruktur und fehlenden digitalen Kompetenzen der Lehrenden und Lernenden. Auch für den Sportunterricht stellte die Umsetzung digitaler Innovationen und Methodik eine Herausforderung dar. Neben der Entwicklung von motorischen Kompetenzen, kommt dem Sportunterricht im Zuge des Setting-Ansatzes auch eine Bedeutung in der Gesundheitsförderung zu. Die Pandemiesituation offenbarte somit z.B. auch Defizite in den digitalen Gesundheitskompetenzen von Lehrkräften und Schüler:innen. Sportlehrkräfte, deren Unterricht primär auf eine face-to-face Kommunikation ausgerichtet ist, stehen somit vor der Aufgabe sowohl inhaltlich als auch medial Umstellungen in ihren Lehr-Lern-Konzepten vorzunehmen.
Um geeignete Lehr-Lern-Konzepte zur Förderung digitaler Gesundheitskompetenzen (zunächst bei Lehrenden und erst im Folgeschritt bei Lernenden) zu entwickeln, werden in diesem Beitrag Konsequenzen aus dem Distanzunterricht bei Lehrenden sowie Lernenden untersucht. Zudem erfasst die Studie Unterschiede der digitalen Gesundheitskompetenz bei den Lehrenden in Abhängigkeit des Unterrichtsfaches. Der explorativ sequenzielle Mixed-Methods-Ansatz integrierte einen Onlinesurvey mit n=118 Lehrenden der Fächer Gesundheit, Biologie und Sport sowie sechs Fokusgruppeninterviews über die Plattform Zoom mit Lehrenden und Lernenden (n=34). Die Befragung umfasste Fragen zur Ausstattung und Nutzung digitaler Medien, zur digitalen Gesundheitskompetenz und zu Hürden bei der Vermittlung digitaler Gesundheitskompetenzen. Die Auswertung beinhaltet Häufigkeits- und Unterschiedsanalysen. Die qualitative Analyse erfolgte durch Inhaltsanalyse nach Mayring mit MAXQDA 2020.

Beide Befragungen ermittelten sowohl fehlende digitale Kenntnisse als auch eine fehlende mediale Infrastruktur. Die Zielgruppen zeigten hohes Interesse und Bedarf für den Ausbau digitaler Gesundheitskompetenz. Sportlehrkräfte wiesen im Vergleich zu Lehrenden der Unterrichtsfächer Biologie und Gesundheit eine geringere digitale Gesundheitskompetenz und ein geringeres Interesse daran auf (F[2,99]=4,07; p=,020; η2partiell=,107). Die Ergebnisse weisen die Erfordernis einer verbesserten Infrastruktur (z.B. Zugang zu WLAN) nach und ermitteln einen hohen Bedarf zur Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz im Setting Schule. Aus der Analyse beider Untersuchungen lassen sich für eine erfolgreiche Umsetzung der Vermittlung digitaler Gesundheitskompetenzen vier Felder übergeordneter Handlungsempfehlungen ableiten: (1) Zur benötigten infrastrukturellen Grundvoraussetzungen, (2) zu Inhalten zur Vermittlung digitaler Gesundheitskompetenzen im Sportunterricht, (3) zur methodischen Umsetzung und (4) zur Weiterbildung von Sportlehrenden.

1. EINLEITUNG

Thematische Hinführung
Im lebensweltbezogenen Settingansatz (vgl. Rosenbrock, 2015), der sich auch auf das Setting Schule übertragen lässt, werden Kinder und Jugendliche altersgerecht an Maßnahmen der Gesundheits- und Bewegungsförderung beteiligt. Hierbei steht die Förderung der sportlichen Aktivität im Vordergrund (Hanssen-Doose et al., 2018). Zudem ist die Vermittlung von Gesundheitskompetenzen (von Sørensen et al. (2012) definiert als die Fähigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsbezogene Entscheidungen anzuwenden) in den Bildungsplänen einzelner Bundesländer verortet (primär in den Unterrichtsfächern Sport, Biologie und Gesundheit) (Töpfer & Sygusch, 2014).
Die Pandemiebedingungen resultierten in Herausforderungen der Gesundheitsförderung (z.B. fehlende Sport- und Beratungsangebote), die mit digitalen Gesundheitskompetenzen (z.B. zielgerichtete Beschaffung evidenzbasierter Gesundheitsinformationen, digitale Bewegungsförderung, Nutzung digitaler Anwendungen zur Infektionsnachverfolgung) gezielter bewältigt werden könn(t)en (Dadaczynski et al., 2021). Bisher fehlt jedoch in den meisten Bundesländern die curriculare Anbindung digitaler Gesundheitskompetenzen, welche seit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie bedingten bundesweiten Lockdowns rapide an Bedeutung gewannen (Crawford & Serhal, 2020). Weiterhin führten Kontaktbeschränkungen zur Reduktion sozialer Interaktionen. Für die Vermittlungsprozesse im Schulalltag erforderte dies u.a. kurzfristig digitale Lösungen. Der bisher auf Präsenz ausgerichtete Unterricht wurde in ein Homeschooling überführt – eine Situation, die viele Lehrer:innen, Eltern und die Schüler:innen überforderte (OECD, 2020). Daraus resultierende sozio-affektive Komplikationen und unzureichende körperliche Aktivität wurden insbesondere bei sozio-ökonomisch benachteiligten Kindern beobachtet (López-Bueno et al., 2021).
Zentrale Veränderungen für Lehrende umfassten den bedarfsgerechten Einsatz digitaler Lehr-Lern-Plattformen (z.B. Iserv und Commsy), digitaler Konferenztools (z.B. Zoom) oder anderen Interaktionsformen mit kurzer Vorbereitungszeit, um das Unterrichtsmaterial an digitale Formate anzupassen.
Die Schüler:innen erleben z.B. das Fehlen bekannter Tagesstrukturen des Schulalltags als Überforderung (Magson et al., 2021). Homeschooling erfordert mehr Selbstmanagementkompetenzen (u.a. Fähigkeit zur Eigenmotivation, Festlegen von Arbeitsstrukturen, Erstellung von Tagesplänen) oder Unterstützungsbedarf durch die Erziehungsberechtigten. Darüber hinaus mangelt es an Zugängen zu digitalen Endgeräten und dem Internet. Erziehungsberechtigte, Lehrer:innen sowie Schüler:innen sind somit mit der Situationen konfrontiert, Lehr-Lern-Prozesse gemeinsam neu zu gestalten.
Gleichzeitig wirken sich die eingeschränkten Bewegungs- und Interaktionsmöglichkeiten auf das physische und psychische Wohlbefinden aus, weswegen digitaler Gesundheitsförderung in Zeiten der Isolation mehr Bedeutung zukommt. Unklar ist, wie vor allem im Sportunterricht eine Förderung digitaler Gesundheitskompetenzen in Distanzunterrichtssituationen möglich ist. Das Fach Sport kann dabei als Bezugspunkt für primärpräventive Inhalte dienen und hat im Vergleich zu anderen Fächern den Vorteil, dass die Wirksamkeit zahlreicher digitaler Gesundheitsangebote in den Bereichen Bewegung und Ernährung bereits belegt ist (Anshari et al. 2017). So zeigt sich beispielsweise in einer Metaanalyse von Baumann et al. (2022), dass mHealth bei der Verringerung von Inaktivitätszeiten von Kindern und Jugendlichen erste positive Effekte aufweist, sofern entsprechende Verhaltensänderungsmechanismen in der App enthalten sind. Daher widmet sich dieser Beitrag der Fragestellung, mit welchen Voraussetzungen Lehrende für das Fach Sport in der Praxis konfrontiert sind und wie die Vermittlung von Unterrichtsinhalten zur Förderung von digitaler Gesundheitskompetenz gelingen kann.
 
Theoretischer Rahmen
Digitale Gesundheitskompetenz umfasst eine Verknüpfung von Gesundheits- und Medienkompetenzen und integriert Aspekte aus e- und mhealth Konzepten (Bittlingmeyer, et al., 2020). Grundlage dafür bildet die individuelle Medienkompetenz nach Blömeke (2001), welche definiert ist als die Fähigkeit und Fertigkeit einer Person, ein mediales Verhalten kompetent, funktional und selbstbestimmt auszuführen (Six und Gimmler, 2018). Lehrer:innen sollten fähig sein, digitale Medien und deren Inhalte selbst angemessen zu nutzen und zu gestalten. Für das universitäre Setting zeigten Dadaczynski et al. (2021) eine enge Verbindung von Medien- und Gesundheitskompetenzen. Für die Autoren ist digitale Gesundheitskompetenz demnach die gesundheitsbezogene Selbstfürsorge, die im digitalen Raum durch gute Medienkompetenz wirksam wird. Digitale Gesundheitskompetenz umfasst somit das Zusammenspiel personaler und sozialer Faktoren bei der Nutzung digitaler Technologien im Suchen, Aneignen, Erfassen, Verstehen, Bewerten, Kommunizieren und Anwenden von Gesundheitsinformationen in allen Kontexten der Gesundheitsversorgung mit dem Ziel, die Lebensqualität über die gesamte Lebensdauer hinweg zu erhalten oder zu verbessern (Bautista, 2015).
Auch bei Schüler:innen besteht Handlungsbedarf zum Aufbau digitaler Kompetenzen. Ein Drittel der 7.-8. Klässler:innen zeigt z.B. Schwierigkeiten im Suchen und Bewerten digitaler Gesundheitsinformationen (jeweils 42%; Endberg & Lorenz 2017). Auch Jugendliche äußern Probleme digitale Gesundheitsinformationen zu finden und deren Bewertung in Bezug auf Zuverlässigkeit und Relevanz vorzunehmen (Dadaczynski et al., 2021).
Zum grundlegenden Verständnis des Konstruktes Gesundheitskompetenz und dessen Determinanten über die Lebensspanne können etablierte Modelle wie das integrativ konzeptionelle Modell von Sørensen und Kollegen herangezogen werden (2012). Es beinhaltet vier erforderliche Kompetenzdimensionen: Gesundheitsinformationen finden, verstehen, beurteilen und anwenden. Für den speziellen Fall digitaler Gesundheitskompetenz, reicht dieses Modell jedoch nicht aus. Norgaard und Kollegen (2015) entwickelten deshalb das konzeptionelle eHealth Literacy Framework (eHLF), welches den Fokus auf digitale Gesundheitsanwendungen richtet. Es beinhaltet sieben Dimensionen (siehe Abbildung 1), verteilt auf drei Ebenen in Verbindung mit internalen und externalen Faktoren.
Das eHLF grenzt sich in der Interaktion zwischen der Ebene des Individuums und des Systems von anderen Modellen ab: Wie eine Person mit Informationen im Kontext eines Systems umgeht (Dimension 3) ist nicht nur durch technische Fähigkeiten determiniert. Das Erleben von Sicherheit und Kontrolle (Dimension 4), Nutzen und Komfort und die richtige Einstellung im Umgang mit der Technologie (Dimension 5) sind ebenso relevant wie Wissen um das Innenleben der Systeme und die Fähigkeiten, sie zu navigieren (Norgaard et al., 2015; Kayser et al., 2018). Lorenz et al. (2017) konnten zeigen, dass Sportlehrkräfte einen sicheren Zugang zur Informationsbeschaffung mittels digitaler Medien (siehe Dimension 4) als relevant ansehen und hier gesteigertes Lerninteresse der Schüler:innen vermuten (Lorenz et al., 2017).
Das zentrale Hindernis bei der Gestaltung digitaler Unterrichtssequenzen stellt jedoch die technische Ausstattung an Schulen dar. Im europäischen Vergleich ist die IT-Ausstattung in Deutschland unterdurchschnittlich (Bitcom, 2015). Auch, wenn die grundsätzlichen Voraussetzungen für digitalen Unterricht technisch und organisatorisch erfüllt wären, ergäben sich Probleme in der direkten Umsetzung. Dies führen Schulze et al. (2018) und Petko et al. (2018) auf die kritische Einstellung einiger Lehrkräfte gegenüber Mediennutzung und fehlende Kompetenzen im Umgang mit Medien zurück. Eine Mehrheit der Lehrenden spricht sich z.B. gegen die Nutzung des eigenen Smartphones der Schüler:innen im Unterricht, u.a. für Recherchetätigkeiten, aus (Wößmann et al., 2017). Gleichzeitig beurteilen Lehrer:innen den Nutzen und Einsatz digitaler Medien positiver, wenn ihre eigenen Kompetenzen höher ausgeprägt sind (Bos et al., 2015; Kreijns 2013, Sadaf et al., 2016, Scherer et al., 2015). Als Vorteile digitaler Methoden nennen Lehrer:innen:

  • erhöhte Kommunikationsmöglichkeiten (Wößmann et al., 2017)
  • flexiblere Arbeitszeitgestaltung (Wößmann et al., 2017)
  • verbesserter Zugang zu Materialien (Schuhknecht, 2020)
  • webbasierte Trainings- und Lernsysteme, die den Lernerfolg dokumentieren und die Methode an den Lernstil der Adressat:innen anpassen ( Schuhknecht, 2020)
  • Open Online Kurse (Taraghi, 2013; Anhalt, 2020)

Ableitung von Forschungsfragen
Unklar ist, welches Fachwissen und welche Kompetenzen Lehrkräfte im Einsatz digitaler Medien besitzen und ob sich fehlende Kompetenzen auf die Qualität des digitalen Unterrichts auswirken. Zudem führen Situationen wie der Lockdown zu fehlendem Ausgleich zwischen Anforderungen des Lehrens und Lernens und notwendiger Erholung z.B. durch Bewegung im Freien oder im Sportverein. Regelmäßige Bewegung ist jedoch eine wichtige Grundvoraussetzung für die körperliche und psychische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen (RKI, 2018). Die Nutzung digitaler Medien im Sportunterricht, um Bewegungsaktivität in die Freizeit zu transferieren, könnte ein Ansatzpunkt für die Ausbildung digitaler Gesundheitskompetenzen sein. Im Sinne der Definitionen von Gesundheitskompetenz als Fähigkeit die Gesundheit aufrecht zu erhalten, zu fördern und zu gestalten (Bittlingmeyer, et al., 2020), könnten digitale Methoden im Sport dazu beitragen, geeignete Informationen und Angebote zu finden (z.B.
YouTube Videos mit Bewegungsanleitungen), Kriterien zur Qualitätsbeurteilung entsprechender Angebote zu lernen und Angebote zu nutzen, wenn eine andere Art von Bewegungsaktivität pandemiebedingt nicht möglich ist. Derartige Ansätze müssten in der Aus- und Weiterbildung von Sportlehrkräften adressiert werden. Die Relevanz digitaler Gesundheitskompetenzen von Lehrenden und Lernenden rückte die Pandemie besonders in den Fokus, jedoch wird dieser Aspekt über die Pandemiebedingungen hinaus für die adoleszente Lebenswelt im Zeitalter der Digitalisierung vermutlich zunehmend an Bedeutung gewinnen. Zusammenfassend verdeutlicht die Analyse der aktuellen Situation, dass nicht nur digitale Kompetenzen der Lehrenden und Lernenden bedeutsam sind, sondern dass auch eine Überführung dieser Kompetenzen in digitale Lehr-Lern-Prozesse zur Erhöhung von digitalen Gesundheitskompetenzen von zentralem Interesse ist. Die folgende explorative Studie widmet sich daher folgenden Fragestellungen:

  • Welche erforderlichen infrastrukturellen Grundvoraussetzungen für digitalen Unterricht sind an den Schulen vorhanden und wie werden diese genutzt? (quantitativ)
  • Unterscheidet sich die digitale Gesundheitskompetenz der Lehrenden (Fachkompetenz) in Abhängigkeit der Unterrichtsfächer Sport, Biologie und Gesundheit? (quantitativ)
  • Welche Vermittlungsmethoden und potentiellen Hürden zur Umsetzung digitaler Gesundheitskompetenz im Sportunterricht lassen sich ermitteln? (quantitativ)
  • Welche Veränderungen der Lehr-Lern-Prozesse nahmen Lernende und Lehrende während des SARS-CoV-2-Pandemie bedingten Digitalunterrichts wahr? (qualitativ)
  • Welche fachlichen Kompetenzen und Grundvoraussetzungen für die Durchführung digitalen Unterrichts ergeben sich aus den SARS-CoV-2-Pandemie bedingten Veränderungen der Lehr-Lern-Prozesse? (qualitativ)
  • Ein besonderer Fokus liegt bei der Beantwortung der Forschungsfragen auf der Betrachtung der Sportlehrenden. Ziel ist es, aus den Ergebnissen Lösungen und Handlungsempfehlungen zur praktischen Umsetzung geeigneter Lehr-Lern-Konzepte zur Erhöhung digitaler Gesundheitskompetenz im Fach Sport, auch unter Pandemiebedingungen, zu entwickeln.

Resultierendes Forschungsdesign
Um Handlungsempfehlungen für die Sportlehrkräfteausbildung abzuleiten, adressiert das Studiendesign alle Phasen des Lehrberufs (universitäre Ausbildung, Vorbereitungsdienst, Schuldienst). Zur Beantwortung der Fragestellungen integriert diese Querschnittsstudie ein explorativ-sequenzielles Mixed-Methods-Forschungsdesign (Ethikantragnummer der lokalen Ethikkommission der Fakultät PB der Universität Hamburg: 2020_296). Dies kombinierte ein quantitatives Onlinesurvey mit einer darauf aufbauenden Fokusgruppenbefragung.

 

2. QUANTITATIVE TEILERHEBUNG

Methodik
Die Rekrutierung Lehrender für die quantitative Teilbefragung (Onlinesurvey, April bis Juni 2020, Software Limesurvey) erfolgte nach dem Schneeballverfahren (Häder, 2019) im Raum Hamburg. Als Multiplikatoren dienten bekannte (angehende) Lehrpersonen (Studierende sowie Freunde und Familie), welche den Surveylink an weitere Personen der Zielgruppe leiteten. Die Einschlusskriterien umfassten: (1) >1 Jahr Berufserfahrung (bei Studierenden sollte das einjährige Schulpraktikum absolviert worden sein) und (2) Unterrichtserfahrung in mindestens einem der Fächer Sport, Biologie oder Gesundheit.
Insgesamt nahmen n=118 Personen (w=74, m=42, d=2) vollständig an der Umfrage teil (31±10 Jahre alt; 4,8±7,2 Jahre Berufserfahrung). 45% der Proband:innen befanden sich zum Zeitpunkt der Befragung im Studium, 11% im Vorbereitungsdienst, 23% in Verbeamtung und 21% im Angestelltenverhältnis. Insgesamt unterrichteten n=52 befragte Personen primär das Fach Sport (31,4±10,5 Jahre alt; m=24 w=27 d=1), n=25 das Fach Biologie (29,6±9,1 Jahre alt; m=20 w=5 d=0) und n=25 das Fach Gesundheit (31,7±9,7 Jahre alt; m=20 w=4 d=1); n=16 befragte Personen gaben keine Fachzugehörigkeit an. n=28 Personen unterrichteten an einer Berufsschule, n=28 an einem Gymnasium, n=25 Personen unterrichteten derzeit an keiner Schule, n=11 an einer Gesamtschule, n=9 an einer Realschule, n=8 an einer Hauptschule, und n=6 an einer Stadtteilschule.

Inhalte des Onlinesurveys:

  • Infrastrukturelle Grundvoraussetzungen für digitalen Unterricht an den Schulen: Die Antwortmöglichkeit integrierte Ankreuzoptionen (Mehrfachnennung möglich): Laptops, Tablets, Smartphone-Apps, Smartboards, e-Learning, Beamer, Dokumentenkameras, Wearables, Podcasts und Hörspiele, Lehrvideos, eBooks & digitale Literatur, Computerräume, WLAN.
  • Digitale Gesundheitsförderung: Operationalisiert wurde dies durch eine selbstkonstruierte fünfstufige Likertskala von 1=sehr niedrig bis 5=sehr hoch in den Bereichen „Persönliches Interesse an Umsetzung von Inhalten zu digitaler Gesundheitskompetenz”, „Interesse von Lernenden an der Umsetzung von Inhalten zu digitaler Gesundheitskompetenz”, „Ausprägung digitaler Gesundheitskompetenzen bei Lernenden”, „Bedarf an Förderung von digitaler Gesundheitskompetenzen bei Lernenden” und „Umsetzbarkeit von Maßnahmen zur Förderung digitaler Gesundheitskompetenz in Schulen”.
  • Digitale Gesundheitskompetenz: Die deutsche Übersetzung eHLQ-G umfasst  35 fünfstufige Likert Skalen von „trifft völlig zu” bis „trifft überhaupt nicht zu”. Diese Skalen werden einerseits zu einem Gesamtscore und andererseits zu den sieben Dimension des eHLF zusammengefasst (Details zum methodischen Vorgehen siehe Kayser et al., 2018). Die oben genutzte Definition digitaler Gesundheitskompetenz wurde als zusätzliche Erläuterung bereitgestellt.
  • Methoden und Hürden bei der Vermittlung digitaler Gesundheitskompetenz: Die Antwortmöglichkeit integrierte folgende Ankreuzoptionen (Mehrfachnennung möglich): (1) Methoden: Projektorientiertes Lernen, kooperatives Lernen, forschendes Lernen, dialogisches Lernen, Referate und Schüler:innenbeiträge, spielerisches Lernen, mehrdimensionales Lernen; (2) Hürden: Eigene Kenntnisse, Handyverbot, Exklusion, Schulbehörde.

Die Ausfüllzeit des Fragebogens betrug 25±10 Minuten. Die Datenaufbereitung erfolgte in SPSS Statistics (IBM, 2020). Zuerst erfolgte die Kalkulation von multivariat konstruierten Variablen wie dem eHLQ Score. Dem folgten deskriptiver Statistiken zur Aufbereitung genannter Vermittlungsmethoden und potentiellen Hürden zur Umsetzung digitaler Gesundheitskompetenz im Sportunterricht. Einfaktorielle Varianzanalysen (ANOVAs) ermittelten Unterschiede in der digitalen Gesundheitskompetenz der Lehrenden in Abhängigkeit der Unterrichtsfächer.

Ergebnisse
Infrastrukturelle Grundvoraussetzungen für digitalen Unterricht an den Schulen
Die Häufigkeitsanalyse zur vorhandenen Infrastruktur digitaler Medien und deren Nutzung durch die Lehrkräfte zeigte, dass das Nutzungsverhalten der Lehrpersonen von der Verfügbarkeit der Medien abwich. Dies manifestierte sich besonders bei den Strukturen Computerräumen und Smartboards. So gaben von den 118 befragten Lehrkräften 101 (94%) an, einen Computerraum an der Schule zur Verfügung zu haben, wobei nur 59 von 101 (58%) Lehrkräften diesen auch aktiv nutzten. Verfügbarkeit von Smartboards gaben 71 (60%) der Lehrkräfte an, wobei hier nur 49 von 71 (69%) diese auch nutzten (Zusatzmaterial 2).

Ausprägung und Interesse an digitaler Gesundheitskompetenz bei Lehrenden
Die Auswertung ergab ein ausgeprägtes Interesse an der Vermittlung digitaler Gesundheitskompetenzen bei Lehrenden und einen hohen Bedarf für digitale Gesundheitskompetenz bei Lernenden. Sportlehrende zeigten zudem im Vergleich zu Lehrkräften der anderen Fächer ein geringeres Interesse an einer Förderung digitaler Gesundheitskompetenzen und schätzten das Interesse und die Ausprägung digitaler Gesundheitskompetenzen bei den Lernenden niedriger ein (siehe Tabelle 2).
Sportlehrkräfte wiesen im Gesamtscore (2,85±0,25) eine geringere digitale Gesundheitskompetenz als ihre Kolleg:innen in den Fächern Biologie (2,61±0,29) und Gesundheit (2,71±0,32) auf (F[2,99]=5,48; p=,006; η2partiell=,101). Im Bereich der eigenen digitalen Gesundheitskompetenz erzielten die Befragten den höchsten Score in der Dimension „Kenntnis der grundlegenden physiologischen Funktionen, des eigenen Gesundheitszustands und der Risikofaktoren und der Möglichkeiten, sie zu vermeiden”. Ebenfalls unterschieden sich Sportlehrende von ihren Kolleg:innen in der zweiten Dimension des eHLQ-Fragebogens („Kenntnis der grundlegenden physiologischen Funktionen, des eigenen Gesundheitszustands und der Risikofaktoren und der Möglichkeiten, sie zu vermeiden”) (F[2,99]=7,30; p=,001; η2partiell=,177).

Methoden und Hürden zur Vermittlung digitaler Gesundheitskompetenz
Die Lehrkräfte gaben in absteigender Reihenfolge an, projektorientiertes Lernen (88%), kooperatives Lernen (85%), forschendes Lernen (80%), dialogisches Lernen (84%), Referate (74%), spielerisches Lernen (75%) und mehrdimensionales Lernen (52%) als gewinnbringende Methoden zur schulischen Vermittlung digitaler Gesundheitskompetenzen zu erachten (siehe Zusatzmaterial 3). Als größte Hürden bei der schulischen Vermittlung digitaler Gesundheitskompetenzen bewerteten die Lehrenden in absteigender Reihenfolge die fehlenden eigene Kenntnisse (71%), das Smartphoneverbot an Schulen (65%), Exklusion durch ungleiche digitale Ausstattung (47%) und datenschutzrechtliche Bedenken der Schulbehörde (25%).

 

3. QUALITATIVE TEILERHEBUNG

Methodik
Sowohl Lernende als auch Lehrende nahmen nach dem ersten SARS-CoV-2-Pandemie Lockdown (22.03.2020 – 04.05.2020) via Zoom an sechs Fokusgruppeninterviews (Erhebungszeitraum 01.09.2020 bis 13.09.2020) teil (n=36 Teilnehmende, n=18 Lernende und n=18 Lehrende). Die Akquise erfolgte über persönliche Kontakte (bekannte Lehrkräfte und ehemalige Studierende) aus dem Raum Hamburg. Die Lernenden unterteilten sich in drei Fokusgruppen à 6 Personen (7-8. Klasse (m=3, w=3, Alter=13,5±0,5 Jahre), 9-10. Klasse (m=2, w=4, Alter=15,4±0,48 Jahre) und 11-12. Klasse (m=4, w=2, Alter=17,5±,5 Jahre), welche auf Gruppenebene jeweils zu gleichen Teilen Landschulen, Stadtschulen und Schulen in sozial benachteiligten Stadtteilen abbildeten. Analog dazu unterteilten sich die Lehrenden ebenfalls in drei Fokusgruppen à 6 Personen. Diese wurden zwischen den Gruppen nach Erfahrung unterteilt (Lehrer:innen (m=2, w=4, Alter=30,6±2,28 Jahre), Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (m=3, w=3, Alter=27,8±1,34 Jahre) und Lehramtsstudierende mit mindestens einjähriger Praktikumserfahrung (m=1, w=5, Alter=26,7±2,21 Jahre) und innerhalb der Gruppen zusätzlich nach Hauptfachrichtung (Gesundheit, Sport oder Biologie) in homogene Gruppen differenziert. Aufgrund von technischen Problemen kam es zu zwei Dropouts bei den 7.-8. Klässler:innen, einem Dropout bei den 9.-10.-Klässler:innen und einem Dropout bei den Lehrkräften im Vorbereitungsdienst. Final nahmen somit n=32 Personen teil. Bei den teilnehmenden Schüler:innen hielten sich in drei Fällen die Eltern mit im Raum auf. Der Interviewleitfaden sollte die Vergleichbarkeit der verschiedenen Gruppen sicherstellen und wurde daher zur Qualitätssicherung mehrfach innerhalb des Forschungsteams und mit bekannten Lehrpersonen und deren schulpflichtigen Kindern aus dem privaten Umfeld pilotiert. Die finalen Fragen des Interviewleitfadens sind dem Zusatzmaterial 1 zu entnehmen.
Die Fokusgruppeninterviews moderierten jeweils ein in qualitativer Forschung erfahrener und in der Sportwissenschaft promovierender Mitarbeiter (29, männlich) und eine wissenschaftliche Hilfskraft aus dem Studiengang Gesundheitswissenschaft (23, weiblich), wobei keine der teilnehmenden Personen den Interviewenden bekannt war. Die durchschnittliche Dauer der Interviews betrug 50±10,3 Minuten. Die Teilnahme an der Studie erfolgte freiwillig. Es wurde von allen Proband:innen eine Einverständniserklärung eingeholt (Bei Schüler:innen eine Einverständniserklärung der Eltern). Die simultanen Bild- und Tonaufnahmen stellten die Basis für die anschließende qualitative Inhaltsanalyse (Mayring & Fenzl 2019) mit MAXQDA 2020 (VERBI Software, 2019) dar. Nach dem Import in MAXQDA codierten eine Autorin und ein Autor unabhängig voneinander das transkribierte Interview-Material. Das zugrundeliegende Codesystem umfasste die zunächst deduktiv gebildeten Subcodes: Organisation, Technik, Kommunikation, Unterrichtsinhalt, Motivation und (digitale) Kompetenzen. Diese wurden nach den Interviews induktiv erweitert.

Ergebnisse
Veränderungen von Lehr-Lern-Prozesse während des Digitalunterrichts
Durch den digitalen Unterricht erhöhte sich nach Angaben der Fokusgruppenteilnehmenden die Bildschirmzeit sowohl bei den Schüler:innen als auch bei den Lehrenden. Zudem berichteten insbesondere jüngere Schüler:innen sowie Berufseinsteigende zu Beginn des digitalen Unterrichts von einer situativen Überforderungen und einer Notwendigkeit von gesteigerten Selbstorganisationsfähigkeiten. Die Analyse zeigte neben Herausforderungen (1) auch mögliche Chancen (2) für neue Lehr-Lern-Prozesse. Diese sind, unterteilt nach Organisation, Technik, Kommunikation, Unterrichtsinhalt, Motivation und (digitale) Kompetenzen, in Tabelle 2 gegenübergestellt.

Kompetenzen und Grundvoraussetzungen zur Durchführung digitalen Unterrichts unter SARS-CoV-2-Pandemie bedingt veränderten Lehr-Lern-Prozessen
Schüler:innen kritisierten die fehlende Kommunikation, sowie fehlende Absprache über Inhalte und Dichte von Lernaufgaben mit den Lehrenden. Zudem betonten Schüler:innen die heterogene Motivation der Lehrkräfte und befürworteten eine Förderung der digitalen Kompetenzen von Lehrkräften.
Der Vergleich der Unterrichtsfächer ergab, dass der Unterricht im Fach Sport häufiger entfiel oder sich nach draußen verlagerte. Sportunterrichtsspezifisch wurde hier die technische Ausstattung bemängelt und auf fehlende digitale Ausstattung in der Sporthalle, wie z.B. Smartwatches mit Accelerometrie-Funktionen, WLAN, etc. hingewiesen.
Sportlehrende präferierten eine Projektwoche mit den Inhalten Entspannung und Bewegung, wohingegen Lehrkräfte der Fächer Biologie und Gesundheit Lehrinhalte zu Natur und Ernährung bevorzugten. Als geeignete Örtlichkeit für eine Projektwoche nannten die Sportlehrkräfte Aula, Pausenhof und Informatikraum. Die Lehrkräfte anderer Fächer führten zudem außerschulische Bereiche, Aktivitäten im Freien, den Sportplatz und die Küche auf. Als Möglichkeit, die eigenen Kompetenzen für den Bereich digitaler Gesundheitskompetenzen zu stärken, schlugen die Lehrkräfte Schulentwicklungstage, Fortbildungen oder Informationsveranstaltungen vor. Ergänzend nannten die Lehrer:innen zeitliche und finanzielle Ressourcen, sowie eine verbesserte Kommunikation im Kollegium und einheitliche Strukturen genutzter digitaler Angebote. Zudem führten die Befragten die Erhöhung der Motivation für die Nutzung neuer Technologien insbesondere bei älteren Lehrkräften als bedeutsam an, um eine Basis für die Vermittlung der Inhalte an die Schüler:innen zu schaffen.

 

4. DISKUSSION

Sowohl Lehrende als auch Lernende sehen sich seit Pandemiebeginn vermehrt mit Veränderungen im Lehr-Lern-Prozess konfrontiert, die digitale Kompetenzen sowie digitale Gesundheitskompetenzen erfordern. Das übergeordnete Ziel der Studie bestand darin, Lösungen und Handlungsempfehlungen zur praktischen Umsetzung geeigneter Lehr-Lern- Konzepte zu entwickeln. Der Hintergrund besteht darin, dass Lehrende damit zunächst ihre eigene digitale Gesundheitskompetenzen verbessern, um in der Folge als Multiplikator:innen für digitale Gesundheitskompetenz von Lernenden zu agieren. Diese Veränderung hätte sowohl positive Implikationen für erneute Distanzunterrichtssituationen als auch für übergreifende methodisch didaktische Herangehensweisen im Sportunterricht. Zudem wurden infrastrukturelle Voraussetzungen und erforderliche Kompetenzen für den digitalen Unterricht in Abhängigkeit der Unterrichtsfächer (Sport, Biologie, Gesundheit) identifiziert, sowie die Meinungen von Akteur:innen aus multiplen Schulformen in den Fokusgruppen abgebildet. Zudem erfasste die Studie die besondere Situation der Sportlehrkräfte, um in der Folge Handlungsempfehlungen für die Umsetzung von digitalen Lehr-Lernprojekten und die zukünftige Ausbildung von Sportlehrkräften zu geben.

Infrastrukturelle Grundvoraussetzungen
Es fehlt an mobilen Endgeräten, mit denen innovative, digitale Lehr-Lernprojekte zur Förderung digitaler Gesundheitskompetenzen umsetzbar wären. Analog zu früheren Studienergebnissen, ergab sich eine Differenz zwischen der Existenz digitaler Medien und deren aktiver Nutzung für die Unterrichtsgestaltung (Drossel et al., 2019). Dies könnte an veralteter medialer Ausstattung oder den fehlenden digitalen Kompetenzen seitens der Lehrenden liegen (Baumgartner et al., 2016). Ein Lösungsansatz zur Beschaffung fehlender mobiler Endgeräte bestünde darin, einen Förderantrag beim Digitalpakt Schule zu stellen (BMBF, 2019). Die Verwendung privater Endgeräte hingegen könnte den ohnehin bestehenden „Digital Divide“ (Castells, 2021) weiter befeuern.
Es bestehen Optionen auch im Homeschooling eine Verknüpfung von Bewegung und Vermittlung von Gesundheitskompetenz zu erreichen. Beispielsweise kann über die App „Teamfit“ die Klasse eine Schritt-Challenge gegen die Lehrkraft durchführen. Die sorgfältige Auswahl digitaler Anwendungen zur Förderung digitaler Gesundheitskompetenzen ist bei dieser Unterrichtsintegration essenziell (Stassen et al., 2020). Zudem bedarf es einer pädagogischen Einsatzstrategie mobiler Endgeräte für das Fach Sport, da durch den hohen Bewegungsanteil andere Voraussetzungen gegeben sind als in anderen Fächern. Fortbildungen könnten Handlungsoptionen dafür gezielt aufzeigen.

Ausprägung und Interesse an digitaler Gesundheitskompetenz bei Lehrenden
Analog zu Umfragen bei Studierenden unterschätzen die Lehrkräfte eigene Kompetenzen leicht (Dadaczynski et al., 2021). Die beschriebenen Studienbefunde deuten ein Fachkompetenz-Ungleichgewicht zwischen Biologie/Gesundheits- und Sportlehrkräften in Bezug auf ihre digitale Gesundheitskompetenz an, besonders in der eHLQ Dimension „Kenntnis der grundlegenden physiologischen Funktionen, des eigenen Gesundheitszustands und der Risikofaktoren und der Möglichkeiten, sie zu vermeiden“. Dies ist verwunderlich, da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Sportstudium physiologische Grundlagen zur Prävention unterschiedlichster Krankheitsbilder beinhaltete. Auch ist der Bezug zu den Inhalten digitaler Gesundheitskompetenz für Lehrende der drei Fachbereiche laut Bildungsplänen prinzipiell gegeben. Möglicherweise bestehen bei Sportlehrenden die größten Hürden für diese Form von Lehr-Lern-Konzepten. Es ist unklar, ob dies an dem Selbst- oder Rollenverständnis der Lehrenden im Fach Sport liegt. Abzuwägen ist, inwiefern die funktionale Umsetzbarkeit digitaler Inhalte im Sportunterricht vor allem für Primar- und Sekundarstufe I gegeben ist, da Sporthallen als Unterrichtsort im Vergleich zu anderen Fachräumen weniger mediale Möglichkeiten aufweisen. Zudem würde ein Fokus auf digitaler Gesundheitskompetenz im praktischen Sportunterricht zunächst die Bewegungszeit und -intensität reduzieren. Daher scheint es zunächst so, als ob im analogen Sportunterricht für digitale Gesundheitskompetenz kein Platz ist. Erst wenn der Sportunterricht (wie in der qualitativen Befragung dieser Studie gezeigt) pandemiebedingt ausfallen muss, entsteht ein zeitlicher Rahmen zur Entwicklung bewegungsbezogener Lehr-Lernkonzepte zur Förderung digitaler Gesundheitskompetenz. Bestehende innovative Konzepte dazu umfassen u.a. die Integration von Virtual-Reality-Inhalten und 360° Videos (Fischer und Paul, 2020). Die Tatsache, dass digitale Inhalte erst durch pandemiebedingte Zwänge ihre Daseinsberechtigung im Sportunterricht erhalten, offenbart jedoch weit zurückreichende strukturelle methodisch-didaktische Defizite des Sportunterrichts. Das übergeordnete Ziel sollte deshalb auch nach der Pandemie darin bestehen, beim Thema Digitalisierung Anschluss an andere Fachkulturen zu finden, die Sportstätten digital auszustatten und methodisch didaktische Ansätze zu entwickeln, um digitale Tools zur Förderung von Bewegungszeit zu nutzen.

Methoden und Hürden bei der Vermittlung digitaler Gesundheitskompetenz im Sportunterricht
Auffällig ist bei den präferierten Methoden, dass es sich ausschließlich um kooperative und selbstständigkeitsfördernde Lernformen handelt (Dornbusch et al., 2009; Ruppert et al., 2010). Die Lehrenden wählten basierend auf ihrer pädagogischen Erfahrung somit eine Methodik, die bewusst auf die Übernahme von Verantwortung der Schüler:innen abzielt sowie deren Selbst- und Zeitmanagement fördert. Die Idee besteht darin, die Themen digitaler Gesundheitskompetenzförderung auf kooperative und selbstständigkeitsfördernde Lernformen im Sportunterricht zu übertragen. Dies kann bei den Sportlehrenden zu einer verbesserten Handlungsfähigkeit in Verknüpfung der Handlungsfelder Sport und Gesundheit führen und somit möglicherweise bei den Lernenden zu einem gesundheitsbewussteren Lebensstil beitragen.
Das Smartphoneverbot an Schulen stellt nach Meinung der Befragten eine weitere Hürde zur Umsetzung von Lehr-Lern-Projekten zur Vermittlung digitaler Gesundheitskompetenzen dar. Auch wenn durch Smartphones zwar die zwischenmenschliche Kommunikation leidet, eine Ablenkung vom Unterricht erfolgt und Cybermobbing unterstützt wird (Olin-Scheller et al., 2020), bedarf es vielmehr der gezielten und umfangreichen Förderung von Kompetenzen für eine verantwortungsvolle Technologienutzung. Smartphones können im Sportunterricht einen Mehrwert für den Unterricht darstellen (Kadry & Roufayel, 2017), eine motivierende Wirkung haben, Lernzeit erhöhen und den kritischen Umgang von Jugendlichen mit Medien fördern. Es bietet sich zudem an, im Schulalltag die Vor- und Nachteile der Smartphone-Nutzung zu thematisieren und dessen positiven Aspekte für eine konstruktive Mediennutzung hervorzuheben. Um Störungen bei der Nutzung von Smartphones im Unterricht zu vermeiden, helfen verbindliche Regeln für die Nutzung im Unterricht (Anshari et al., 2017). Im Kontext des Sportunterrichts wird das Handy aufgrund hoher Bewegungsanteile weniger genutzt, doch bestehen hier Potenziale wie bspw. smartphonebasierte Bewegungsanalysen. Hierzu sollten jedoch Smartphones von Seiten der Schule zur Verfügung gestellt werden. Schüler:innen haben so die Möglichkeit, eigene Bewegungsvideos zu erstellen und mit einer entsprechenden Anleitung der Lehrenden relevante Bewegungsphasen (z.B. beim Werfen oder Schwimmen) zu identifizieren und direktes visuelles Feedback zu erhalten (Mödinger et al., 2020).

Kompetenzen und Grundvoraussetzungen für die Durchführung digitalen Unterrichts unter SARS-CoV-2-Pandemie bedingt veränderten Lehr-Lern-Prozessen
Organisation: Die zeitintensive Organisation digitalen Unterrichts stellt ein zentrales Problem dar. Lehrpersonen stehen vor organisatorischen Hürden, da sie für die technische Organisation zuständig und gleichzeitig Ansprechpartner für digitale Probleme der Lernenden sind. Diese Doppelaufgabe reduziert aktive Lernzeit und könnte z.B. dadurch aufgegriffen werden, dass den Schulen on demand Technik-Support-Teams zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich dazu sind die Unterrichtseinheiten und Lernblöcke anders zu gestalten, da die Schüler:innen durch lange Bildschirmzeiten, häusliche Situationen oder auch fehlenden Selbstmanagementkompetenzen über Konzentrationsprobleme berichten (Depping, 2021). Bewegungsspiele und Konzentrationsübungen sind potentielle digitale Gesundheitsanwendungen an der Schnittstelle zum Sportunterricht. So können über Apps bspw. kollektive Bewegungsaufgaben in der Natur als aktive Bewegungspausen genutzt und auditiv geführte Meditationsübungen langfristig dazu beitragen, dass sich Lernende besser auf den Unterricht konzentrieren können. Im Hinblick auf die Zeitplanung bei synchronem Unterricht sollten Lehrende mehr Zeit für Pausen einplanen und dafür nachbereitende Aufgaben bereitstellen.
Technik: Es fehlen einheitliche Strukturen, Absprachen und digitale Kompetenzen einzelner Personen. Als Kommunikationsmedium sowie zur Verteilung der Arbeitsaufträge erwiesen sich die Plattformen, wie IServ, Commsy, Zoom für die Ausführung des digitalen Unterrichts nach Meinung der Befragten als geeignet. Schüler:innen der jüngeren Jahrgänge hingegen fehlten am meisten die sozialen Aspekte (Kontakt vor Ort) sowie zum Teil die Verfügbarkeit digitaler Medien (insbesondere innerhalb der Zielgruppe mit schlechteren sozioökonomischen Voraussetzungen) (Crawford & Serhal, 2020).
Kommunikation: Die digitale Kommunikation wurde in den Fokusgruppen kontrovers diskutiert. Sowohl Lernende als auch Lehrende sehen in der rein digitalen Kommunikation das größte Problem digitalen Unterrichts, durch fehlende nonverbaler Kommunikation, ausgeschaltete Kameras und einem schwindenden Zugehörigkeitsgefühl (Naidoo, 2021). Interessanterweise gaben die befragten Schüler:innen an, dass eine funktionierende Kommunikation abhängig von den Lehrkräften, den vorher festgelegten Regeln, den Kompetenzen der Lehrkräfte und dem Kommunikationsmedium sei, während Lehrende die Schüler:innen nur schwer erreichen konnten. Somit erfordert Kommunikation im digitalem Unterricht eine geeignete Plattform, funktionierende Endgeräte, digitale Kompetenzen und definierte Kommunikationsregeln.
Unterrichtsmethoden und Motivation: Um die jüngeren Jahrgänge für die Teilnahme an digitalen Unterrichtseinheiten auch nach der SARS-CoV-2-Pandemie zu motivieren und besser vorzubereiten, könnten eine Stärkung des eigenständigen Arbeitens bei jüngeren Klassenstufen, die generelle Verbesserung des Selbst- und Zeitmanagements bei Lernenden oder ein Mentoring-Programm mit älteren Schüler:innen mögliche Lösungsansätze darstellen. Die Wirksamkeit von Mentoring-Programmen ist im schulischen sowie im akademischen Kontext nachgewiesen (Stöger et al., 2012). In der Übertragung von digitalen Gamificationansätzen (z.B. Challenges) auf den Sportunterricht bestünde eine weitere Möglichkeit der Motivationssteigerung (Hofmann et al., 2014). Ergänzend zu bereits bestehenden medienpädagogische Anwendungsszenarien für digitalen Sportunterricht (Thumpel et al., 2020) könnte z.B. das Zeitmanagement oder die digitale Kommunikation verbessert werden, um Belastungssituationen im Homeschooling zu reduzieren (Schiefner-Rohs, 2017). Gerade bei jüngeren Schüler:innen ist die didaktisch wohlüberlegte Integration der positiven Möglichkeiten von mobilen Endgeräten in den Sportunterricht eine komplexe Aufgabe, welche die Integration von fachlichen und medienpädagogischen Inhalten erfordert (Greve et al, 2020).
Digitale Kompetenz: Während die Umstellung auf digitalen Unterricht bei Schüler:innen der Oberstufe sowie Studierenden keine Probleme erzeugte, berichteten Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst über große Überforderung. Lehrer:innen waren je nach Ausprägung der eigenen digitalen Kompetenzen mit zusätzlichen Anforderungen belastet. Erfahrene und technikaffinere Lehrkräfte berichteten hingegen analog zu den Ergebnissen der quantitativen Befragung, dass der Einsatz verschiedener Methoden in ihrem digitalen Unterricht, in Form von z.B. digitalem Unterricht, Präsenzunterricht, Erklärvideos, Lernapplikation, Monotonie entgegenwirke und somit die Motivation der Schüler:innen steigern kann. Die Effektivität von Mischformen aus Präsenz und E-Learning-Inhalten ist wissenschaftlich belegt („Blended learning“; Mahmud et al., 2020; Vo et al., 2017). Methodische Fortbildungen in diesem Bereich (z.B. ein digitaler Methodenkoffer) bieten sich als Fördermöglichkeit für Lehrende an, um Medienkompetenzen und didaktisch-pädagogische Vermittlungskompetenzen für den digitalen Bereich aufzubauen. Zur kurzfristigen Deckung des Weiterbildungsbedarfs schlugen die Befragten Schulentwicklungstage, Fachkonferenzen, Webinare und Leitfäden vor. Ein weiterer Lösungsansatz liegt einer langfristigen Ausbildung digitaler Unterrichtskompetenz im Rahmen des Studiums, um eine Überforderung zum Berufseinstieg zu vermeiden. So kann auch eine erhöhte Akzeptanz für den digitalen Unterricht geschaffen werden, die folglich auch einen positiven Einfluss auf die Entwicklung und Kompetenz der Schüler:innen haben kann (KMK, 2017; Schulze et al., 2018; Petko et al., 2018; Schaumburg & Prasse, 2019). Dabei ist zu beachten, dass Sportlehrende (anders als andere Lehrkräfte) besonderen Ausbildungsbedarf zur Kombination von Bewegung und Digitalisierung benötigen (Wendeborn et al., 2019).

Konsequenzen für das Ausbildungsprogramm im Rahmen der Sportlehrkräftebildung
Die Studienergebnisse verdeutlichen den dringenden Bedarf Sportlehrkräfte im digitalen Unterricht zu fördern. Dieser Bedarf manifestiert sich u.a. darin, dass befragte Sportlehrkräfte im Vergleich zu Fachkollegen den niedrigsten Wert bei der digitalen Gesundheitskompetenz aufweisen. Da die Ausbildung von Gesundheitskompetenzen bereits in den Bildungsplänen einzelner Bundesländer verortet ist, sollte sowohl im Vorbereitungsdienst als auch im Studium in allen praxisbezogenen Modulen ein Lerninhaltstranfer auf den Distanzunterricht erfolgen. Dies könnte mit spezifischen Ausbildungsmodulen zu (1) technischen Möglichkeiten von Smartphones und Tablets zu Unterstützung von Bewegung, Bewegungsanalyse und Bewegungslernen, (2) e- und mHealth Möglichkeiten oder (3) Integration von altersgruppenspezifischen Aspekten der digitaler Gesundheitskompetenz, z.B. in der Auseinandersetzung mit geeigneten Bewegungsprogrammen beim Ausfall von Schul- und Vereinssport, umgesetzt werden. Dabei sei erwähnt, dass die Kompetenz zur Durchführung digital unterstützter Lehrveranstaltungen im Bereich Sport, sowie der gezielte Einsatz von Methoden zur digitalen Vermittlung von Bewegung und ggf. Bewegungskompetenz ein Folgeprodukt von digitaler Gesundheitskompetenz der Lehrkräfte darstellt, die digitale Gesundheitskompetenz jedoch nur einen Teilaspekt des gelingenden Digitalunterrichts beinhaltet.

Limitationen
Die digitale Gesundheitskompetenz von Schüler:innen wurde in dieser Studie aufgrund fehlender standardisierter Instrumente für diese Zielgruppe nicht erfragt und sollte in Folgestudien aufgegriffen werden. Zudem erfolgten die quantitative und qualitative Erhebung nicht durch eine Zufallsstichprobenziehung und die Verteilung von Biologie und Sport und Gesundheitslehrkräften innerhalb der Gruppen war ungleich, weswegen die Generalisierbarkeit der Studienergebnisse stark eingeschränkt ist. Auch subsumierte diese Studie unter “Lehrenden” sowohl Lehramtsstudierende mit Lehrerfahrung als auch Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst und examinierte Lehrer:innen, die alle ein sehr geringes Durchschnittsalter aufweisen. Dadurch entsteht zwar der Vorteil, dass verschiedene Sichtweisen Betrachtung finden, gleichzeitig hätte eine Stichprobe nur mit examinierten und vorallem älteren Lehrkräften möglicherweise detaillierte Antworten über die Situation im Schulalltag geben können. Die Aussagekraft der Studie ist zudem dadurch limitiert, dass zwar alle teilnehmenden Studierenden eine mindestens einjährige Praktikumserfahrung aufweisen, aber nicht alle während des ersten Lockdowns unterrichtet haben. Weiterhin ist zu bemerken, dass dominante Personen deutlich mehr Redeanteile in den Fokusgruppeninterviews aufwiesen. Dies zeigte sich erst bei der Auswertung. Zukünftig sollten Moderator:innen von Fokusgruppen hier gezielt Steuerungselemente für Redebeiträge in den Prozess integrieren. Der explorative Charakters der Studie führte zum Einsatz nicht standardisierter Messinstrumente mit evtl. selektiver Item- Auswahl. Folgestudien sollten die verwendeten Instrumente zunächst validieren oder im Sinne der Vergleichbarkeit von Studienergebnissen ausschließlich validierte Erhebungsinstrumente einsetzen.

Fazit und Handlungsempfehlungen
Zusammenfasend zeigt sich, dass der pandemiebedingte Lockdown zu Problemen in der digitalen Umsetzung von Unterricht führte und vor allem Entwicklungspotentiale in den infrastrukturellen Voraussetzungen der Schulen und den Kompetenzen der Lehrenden und Lernenden bestehen. Durch die Pandemiesituation wurde deutlich, dass es an digitalen Gesundheitskompetenzen bei Lehrenden und Lernenden fehlt. Daraus folgt eine zwingend notwendige Anpassungen in der langfristig digitalen Orientierung des Sportunterrichts. Es entwickelten sich in kurzer Zeit viele neue Herangehensweisen, die bisher lediglich praxiserprobt, nicht aber theoriebasiert sind und eine grundständige digitale Gesundheitskompetenz voraussetzen. Konzepte für die Vermittlung von digitalen Gesundheitskompetenzen fehlen. Durch die gezielte Förderung dieser Inhalte in Vorbereitungsdienst und Studium könnten besonders Sportlehrkräfte profitieren und somit erneute Distanzunterrichtsituationen besser bewältigen, sowie das methodisch-didaktisch Repertoire auch darüber hinaus erweitern.
Aus der integrativen Analyse beider Untersuchungen (quantitativ und qualitativ) lassen sich für eine erfolgreiche Vermittlung digitaler Gesundheitskompetenzen im Sportunterricht vier Bereiche von Handlungsempfehlungen synthetisieren:

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